BILD contra AfD?

· Artikel (Klassismus)

[Nachträgliche Einleitung: Die „BILD zur Wahl“ wird am Samstag ausgeliefert]

Wie ist eigentlich der aktuellen Stand zur Gratis-BILD am nächsten Samstag? Es wurde im Mai angekündigt, dass einen Tag vor der Bundestagswahl an 40 Mio Haushalten die BILD verschickt wird. Im letzten Jahr gab es dagegen Proteste, in diesem Jahr hört man nichts mehr. Aber ich kenne auch keine Dementis oder Erklärungen, dass die BILD doch nicht ausgeliefert wird.

Falls die Gratis-BILD ausgeliefert wird, könnte dies u.a. für den Einzug Alternative für Deutschland ins Bundesparlament entscheidend sein.

Die Alternative für Deutschland steht in Prognosen verschiedener Meinungsforschungsinstituten (Forsa, Emnid) eine Woche vor der Bundestagswahl bei vier Prozent. Es wäre aber noch möglich, dass rechtskonservative Protestwähler*innen sich für die AfD entscheiden. Sollte dies der Fall sein, gelänge der AfD voraussichtlich der Einzug in den Bundestag.

Wie wir wissen, hat die BILD auf rechtskonservative/rechtspopulistische Kreise einen gewissen Einfluss. Der Bucherfolg von Sarrazins Deutschland schafft sich ab ist nicht zuletzt auch auf die BILD-Kampagne für das Buch zurückzuführen. Allerdings unterstützt die BILD keineswegs so deutlich die Sarrazin-Partei AfD wie sie Sarrazin unterstützte. Im Gegenteil: während die WELT-Gruppe aus dem Springer-Konzern die AfD hofierte, kann man bei der BILD, die im selben Verlag erscheint, durchaus negative Berichterstattung feststellen. Wenn die BILD an alle Haushalte gehen sollte, dann könnte die Mobilisierung für oder gegen die AfD spannend sein.

Die AfD hat an diesem Wochen auch noch einmal kräftig Geld bei ihren Anhänger*innen gesammelt. Zur Stunde (3:00 Nachts) sind laut Ticker über eine Viertelmiilionen Euro an Spenden eingegangen. Dies Geld sollte vor allem für Zeitunsanzeigen genutzt werden, wobei von einem fünfstelligen Betrag an Spenden ausgegangen wurde. Bislang hatte nur eine ominöse Gruppe „Freundkreis der Alternative für Deutschland“ eine ganzseitige Anzeige für die AfD geschaltet. Ähnlich wie die Zivile Koalition hat auch der Freundeskreis seine Wurzeln im Ostelbischen Landadel – und ähnlich konservativ und parlamentarismuskritisch waren auch die Forderungen dieser Gruppe. Die AfD hätte mit dem sechsstelligen Betrag die Möglichkeit ganzseitige Anzeigen zu schalten. Ob das für die Gratis-BILD reicht, wenn diese überhaupt erscheint, und wenn es nicht schon zu spät für eine Anzeige sein sollte, wird sich zeigen.

Noch ein Wort zur Finanzierung der AfD. Es gab verschiedene Überlegungen, ob vielleicht ein Großspender die AfD finanziere. Die Konrad-Adenauer-Stiftung hatte mein Recherche-Ergebnis aufgenommen, wonach die Zivile Koalition und die Firma Lottmann im selben Haus in Berlin sitzen. Meine Überlegung war damals, dass ähnlich wie bei der Mövenpick-Parteispende nun auch wieder die August von Finck Gelder indirekt fließen und Lottmann arbeitet für Mövenpick. Es gab von allen Seiten Dementis. Dann behauptete ein AfD-Anhänger im Kommentar zu meinem Blog, dass Hans Wall bis zu drei Millionen Euro zugesagt habe, aber auch hierfür fanden sich keine weiteren Belege – Hans Wall gilt als großzügiger Spender, aber er ist noch nie mit Parteienspenden hervorgetreten, wahrscheinlich wollte mich da also ein AfD-Fan aufs Glatteis führen. Möglich wäre auch noch eine Finanzierung durch Hayekaner. Vor wenigen Tagen fand eine größere Hayek-Tagung statt, die auch von der Zivilen Koalition mitgestaltet wurde. Dort gab es anscheinend größere Sympathiebekundungen. Bernd Lucke, der Sprecher der AfD, war zudem vor wenigen Wochen in Göttingen zu Gast bei einer Hayek-Veranstaltung. Ein milliardenschwerer Mäzen der Hayekaner ist Theobald Müller von Müller-Milch. Sein im letzten Jahr gegründeter Hayek-Think-Tank Wert der Freiheit gGmbH war bei dieser größeren Hayek-Tagung auch vor Ort. Dass eventuell kein größerer Geldbetrag von reichen Familienunternehmern an die AfD oder an die Zivile Koalition ging, kann mit einer neuen Prioritätensetzung der Verbände der Familienunternehmen zusammenhängen. Seit Rot-Grün Anfang des Jahres mit der Ankündigung von Reichensteuern in den Wahlkampf zog, interessierte die Familienunternehmen die Euro-Politik kaum noch und dadurch wurde die AfD eher langweilig bzw. störend, da dringend eine rot-grüne Mehrheit zu verhindern sei. Eine neu gegründete Anti-Euro-Partei kann allerdings nicht so schnell ihren Schwerpunkt wechseln. Das sieht bei der Zivilen Koalition anders aus, in deren Wahlprüfstein geht es dann in erster Linie um Fragen zur Steuererhöhung statt um die ESM-Politik. Wie dem auch sei, unabhängig von der Frage nach dem Großspender ist die AfD anscheinend in einem Milieu angesiedelt, welches von gutverdienenden weißen deutschen Männern über 45 Jahre dominiert wird. Die AfD ist die Partei der Privilegierten, die Sekundärtugenden groß schreiben und nicht so sehr Kreativität wie dies bei den Piraten der Fall ist, mit dem Vorteil der pünklichen Bezahlung der Mitgliedsbeiträge.

Nachtrag 15.09.2013

Oben hatte ich geschrieben, dass die BILD sich eher gegen, die WELT eher positiv zur AfD positionieren. Zwei Meldungen heute stehen quer dazu.

In der BILD am Sonntag können wir heute auf Seite 3 einen Kommentar vom stellvertretenen Chefredakteur unter der Überschrift Merkels Quittung für den Kuschelwahlkampf lesen:

Viele werden am kommenden Sonntag die Alternative für Deutschland (AfD) aus purem Protest wählen. Weil ihnen das Europa der EU und des Euro unheimlich ist. Weil ihnen der Mainstream der etablierten Parteien zu Themen wie Homo-Ehe oder Wehrpflicht zuwider ist. Weil sie Sand in das politische Getriebe streuen wollen. Das könnte gründlich gelingen.

Und Schuld daran sei Angela Merkel:

Die Kanzlerin versucht, auch die AfD druch Ignorieren zum Verschwinden zu bringen. Doch wer keine Themen setzt, weil er den politischen Gegner zu schwächen hofft, überlässt das Feld anderen Kräften.

Das würde ich eher als Werbung für die AfD als für die CDU lesen.

Die WELT hingegen scheint Unregelmäßigkeiten beim Verein Zivile Koalition e.V. aufgedeckt zu haben. Anscheinend ist unklar, wo 98.000 Euro Spendeneinnahmen geblieben sind. Lars-Marten Nagel und Marc Neller berichten hier über eine Reihe von Unregelmäßigkeiten Das Rätsel um ein Schließfach mit 98.000 Euro. Das könnte der AfD in Berlin entscheidende Stimmen kosten, da Beatrix von Storch hier auf Platz 2 für den Bundestag kandidiert. Innerhalb des Landesverbandes Berlin scheint es ohnehin Richtungskämpfe zu geben. Vielleicht bringt die Aufklärung in diesem Fall auch Aufschlusse über das Verhältnis der Zivilen Koalition e.V. zum Adressenhändler CCS und den vielen Massenspammails.

Diesen Beitrag in der WELT würde ich eher nicht als Werbung für die AfD interpretieren.

Nachtrag 2, ebenfalls 15.09.2013:

Es ist noch immer unklar, wer sich hinter dem Freundeskreis der Alternative für Deutschland verbirgt. Diese schalteten am 28.08.2013 eine ganzseitige Anzeige in der FAZ zur Unterstützung der AfD – allerdings mit eigenen Forderungen. Natürlich gibt es ein Impressum. Und diese Adresse verweist auf ein Milieu, welches die Rückgabe der durch die Sowjetunion enteigneten Güter des ehemalige ostelbischen Landadels einforderte. Entsprechend heißt es in der Anzeige u,a, „Wir wollen, dass alle deutschen Kommunismus-Opfer ihr Recht bekommen“. Eine ganzseitige Anzeige in der FAZ an einem Wochentag auf der Premiumseite 5 kostet – wenn ich das richtig verstanden habe – 73.500 Euro.

Hier weitere Infos zum Freudenskreis der Alternative für Deutschland.

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15 Kommentare

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  1. Janine Zimmer

    was ist denn dagegen zu sagen, wenn es überhaupt einmal wieder eine politische Gruppierung „rechts der Mitte“ gibt? was ist dagegen zu sagen, wenn weiterhin traditionelle Werte vertreten werden? …gar nichts. eben!

    • Andreas Kemper

      „Traditionelle Werte“ ist ein sehr beschönigender Ausdruck für soziale Selektion.

  2. Angelika H.

    Herr Kemper, Ihre Zeit möchte ich haben! Wer wo wieviel Teuro für die AfD sammelt…..Schauen Sie sich die Großplakate von Merkel an – mit nichtssagenden Slogen. Was erhalten die Großparteien an Wahlkampfhilfe?? Bitte mal vergleichen und meine Forderungen nach Streichung von Steuergeldern an Parteien unterstützen! Auch die steuerliche Absetzung von Spenden geht in die Richtung.

  3. C.N.

    Habe heute dein Buch zur AfD fertig gelesen. Respekt für diese Sisyphos-Arbeit die Strippenzieher hinter dem Verein ins Licht der Öffentlichkeit zu zerren. Davor haben diese „honorigen Herrschaften“ die meiste Angst.
    Bei der Bild versucht die Redaktion derzeit einen Schritt auf die AfD-Leserschaft zuzugehen. Bei der Welt habe ich eher den Eindruck, dass jemand aus dem Wirtschaftsressort die „Lösungsansätze“ der AfD mal durchgerechnet hat und zum Ergebnis gekommen ist, dass die für das funktionieren des deutschen Kapitalismus alles andere als geeignet sind. Und man will sich als Börsenblatt ja nicht das letzte Anzeigengeschäft kaputt machen lassen… 😉

    Mir macht im Übrigen auch die Landtagswahl in Bayern Hoffnung, dass am Sonntag die AfD-Jünger unsanft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Allein das Abschneiden der Freiheit um Michael Stürzenberger zeigt, dass obwohl man lautstark in der Öffentlichkeit auftritt und gut vernetzt im www agiert, dies für das politische „real life“ keine Rolle spielt. Die lautstarken Vertreter einer „schweigenden Mehrheit“ sind im Endeffekt doch nur eine verschwindet geringe Minderheit.
    (Naja, wenigstens hast du in denen deinen eigenen kleinen Fan-Club.^^)

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