Warum es wichtig ist, die AfD richtig zu verstehen

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Im Internet hat eine ungeschickte Formulierung des Spitzenkandidaten der AfD, Jörn Kruse, für einen krassen Shitstorm gesorgt. Jörn Kruse hatte gesagt:

„Ich habe die große Befürchtung immer gehabt, dass Furchtbares irgendwo, bei uns hier, Paris gehört für mich zur gleichen Wertegemeinschaft, passieren würde. Und leider ist es viel früher passiert, als ich gehofft habe.“

Man kann diesen Satz nicht so interpretieren, als hätte Jörn Kruse gehofft, dass es Anschläge geben würde. Denn er hat geschrieben: „Ich habe die große Befürchtung immer gehabt, dass Furchtbares […] passieren wird.“ Das heißt, er hat nicht gehofft, dass Anschläge passieren, sondern er hat befürchtet, dass Anschläge geschehen. Er hat lediglich gehofft, dass diese nicht so früh passieren. Und die AfDler*innen, die applaudierten, können sich darauf berufen, ihn so verstanden zu haben.

Es ist gerade bei der AfD wichtig, die Aussagen richtig zu interpretieren. Denn es droht auf europäischer Ebene eine faschistische Entwicklung. Und die AfD könnte sich als Teil dieser Tendenz entwickeln. Das ist eine sehr ernste Sache.

Die AfD arbeitet mit Verschleierungen. So will der stellvertretende Vorsitzende der AfD NRW, Hermann Behrendt, seine Realutopie „Mandative Demokratie“ vom Dezember 2011 nur als „Gedankenexperiment“ verstanden wissen. Behrendt hatte dort gefordert, die parlamentarische Demokratie abzuschaffen, um dann das Streikrecht, den Kündigungsschutz, etc. abschaffen zu können. Auch Konrad Adam, Parteivorsitzender der AfD, will plötzlich nichts mehr wissen von einem Artikel von 2006 mit der Überschrift „Wer soll wählen?“. Dort hatte er geschrieben, dass die Einführung des allgemeinen Wahlrechts kein Fortschritt gewesen sei, weil seither die „Passiven“ die „Aktiven“ lähmen. Roland Vaubel, wissenschaftlicher Beirat der AfD, stellt seit den 1980er Jahren Überlegungen an, wie die „Leistungselite“ vor der Demokratie geschützt werden könnte. Er überlegte laut, man könne der Unterschicht das passive Wahlrecht entziehen oder man könne ein Zweikammer-System einführen, die zweite Kammer würde nur von „Leistungsträgern“ gewählt und hätte ein Veto-Recht z.B. bei Steuerentscheidungen.

Seit diese neoliberalen Vordenker, die die heutige Form der Demokratie verändern wollen, um für Unternehmer*innen den Gestaltungsspielraum zu vergrößern, für Geringverdiener*innen entsprechend einzuschränken, Politiker sind, halten sie mit ihren Zielvorstellungen hinter dem Berg.

Roland Vaubel gehört zu den Unterstützern des Hamburger Appells 2005 von Bernd Lucke. Auch Jörn Kruse hatte diese Appell unterschrieben. In dem Appell wurde gefordert, dass die Geringverdienenden weniger verdienen sollen, die Lohnspreizung müsse größer werden. Dies sei nur möglich, wenn die Sozialhilfe komplett abgeschafft wird. Übersetzt auf ein konkretes Beispiel: Die Friseuse wird erst dann 3 Euro Studenlohn statt 6 Euro Stundenlohn erhalten, wenn es keine Sozialhilfe mehr gibt und die Arbeitslosen auch bereit sind, für 3 Euro die Stunde zu arbeiten. Das könne dann noch durch Aufstockungen leicht erhöht werden, wenn das Geld dafür da ist. Das ist die Agenda des neoliberalen Flügels der AfD. Um solche unpopulären Maßnahmen durchsetzen zu können, ist es wichtig, erst das Demokratiesystem zu ändern.

Und auch Jörn Kruse gehört zu den neoliberalen Volkswirtschaftlern, die seit Jahren an alternativen Demokratiemodellen arbeiten. Auch er will die heutige parlamentarische Demokratie durch ein Mehrkammersystem ersetzen. Aber im Wahlkampf wird er davon nicht sprechen.

Es ist gefährlich, die Aussagen von AfD-Politiker*innen falsch zu interpretieren. Wer einmal falsch interpretiert, dem glaubt man nicht … Man sollte der AfD nicht die Möglichkeit bieten, sich plausibel als die Falschinterpretierten darstellen zu können. Natürlich hat sich Jörn Kruse ungeschickt ausgedrückt. Aber die Gefahr der AfD geht nicht von einer mangelhaften Rhetorik aus.

3 Kommentare

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  1. prkreuznach

    Hat dies auf Was war die DDR ? rebloggt und kommentierte:
    Das hier ist aktuell und hat nichts mit der DDR zu tun. Es gehört aber trotzdem hierher. Denn es gibt viele Freundinnen und Freunde der DDR, bzw. solche, die sich dafür halten, die mit der AfD sympathisieren. Sie sollen sich diesen Text von Andreas Kemper mal zu Gemüte führen und darüber nachdenken, ob sie das wirklich wollen. Und das, was die AfD will hat nichts mit der DDR zu tun. Es ist das Gegenteil dessen, was die DDR war.

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