Das Dachzeichen ^ ist eine Art sprachlicher Stolperstein. Es dient dazu, sich bewusst zu machen, dass einige Bilder (Metaphern) in unserer Sprache problematisch sein können.
Die Begriffe ‘Aufwertung’ und ‘Abwertung’ machen deutlich, dass in unserer Sprache das Gute (Hochwertige) als ‘oben’ gedacht wird und das Schlechte (Minderwertige) als ‘unten’. Man wertet ‘nach oben’ auf und ‘nach unten’ ab. Zwar gibt es auch negativ besetzte Begriffe, die oben gedacht werden (“der ist abgehoben”) und positiv besetzte für das Unten (“geerdet sein”, “komm doch mal runter”). Dies sind aber Ausnahmen von der Regel: Oben ist der Himmel und Gott, unten ist die Hölle und der Teufel. Ein gesellschaftlicher Aufstieg ist gut, ein gesellschaftlicher Abstieg schlecht.
Diese Verortung von oben=gut und unten=schlecht ist an sich nicht problematisch.
Gleichzeitig werden aber Macht- und Klassenverhältnisse und -prozesse mit oben und unten gekoppelt. Oberschicht/Unterschicht, hohe Herkunft/ niedrige Herkunft, Hochkultur, Hochschule, hohes Niveau, hohe Verantwortung, … Es gibt über einhundert Begriffe, die gesellschaftliche Phänomen vertikal, also entlang der Achse von Oben und Unten abbilden. Diese Position von sozialen Prozessen und Verhältnissen entlang einer Vertikalen nenne ich ‘Sozialvertikalismus’. Also ‘Höhere Schule’ ist ein Sozialvertikalismus oder ‘Untermensch’ oder ‘Oberamtsleiter’. Wir denken dann automatisch und ohne dies zu hinterfragen Oberschicht als oben, Unterschicht als unten. In Grafiken und Tabellen wird die Oberschicht in der Regel oben, die Unterschicht in der Regel unten dargestellt. Also Oberschicht=oben und Unterschicht=unten.
Hier findet nun eine indirekte Kopplung statt:
Oberschicht=oben und oben=gut und Unterschicht=unten und unten=schlecht, also
Oberschicht=oben=gut und Unterschicht=unten=schlecht, woraus folgt:
Oberschicht=gut und Unterschicht=schlecht.
Dies alles passiert mehr oder weniger unbewusst und wir assoziieren dann die sogenannten unteren Klassen mit all dem Negativen, für das das Unten in unserer Gesellschaft steht: minderwertig, faul, keine Übersicht, Masse, träge, schwach, verborgen usw. Ähnliches gilt umgekehrt für die obere Klasse.
Um nun diesen unbewussten Prozess zu durchbrechen, ist es möglich, diesen zu markieren. Es ist möglich, vor sozialvertikalistischen Begriffen ein Dachzeichen zu setzen: ^Oberschicht, ^Aufstieg, ^niederer Instinkt, ^übermenschlich usw. Das Dachzeichen ist als Stolperzeichen gedacht. Es soll den Lesefluss unterbrechen und daran erinnern, dass hier Metaphern vorliegen, die das Gute mit der herrschenden Klasse und das Schlechte mit der beherrschten Klasse gleichsetzen.
Uli
Vielen Dank Andreas.
Interessanter Ansatz. Ich gehe davon aus, das Du Dir diese Kennzeichnung erdacht hast ?! Oder gibt es noch andere (soziologisch konnotierte) Quellen dafür ? LG Uli