Sozialvertikalismus
Ich forsche seit einigen Jahren zur vertikalen Strukturierung der Kollektivsymbolik, der wertenden Aufteilung der Gesellschaft in Oben und Unten. Wie umfassend diese Aufteilung ist, zeigt sich in den Wörtern ^Aufwertung und ^Abwertung: Das Wertvolle (^Hochwertige) ist oben, das Wertlose ist unten.
Diese Strukturierung bestimmt, wie wir denken, und sie sorgt dafür, dass die herrschende Klasse als ^Oberklasse als gut und die beherrschte Klasse als ^Unterklasse als schlecht bezeichnet wird. Ein ^Bildungsaufstieg ist gut, weil er nach oben geht.

Mit der Entstehung des Kapitalismus hat sich die vertikale Strukturierung geändert. Das kathedralische Denken ist noch immer vorhanden, das Wertvolle wird noch immer mit dem Oben verbunden, weil das Eigentum an den Produkten der Arbeit noch immer nicht vergesellschaftet ist, sondern nur die Arbeit gesellschaftlich organisiert ist. Der gesellschaftliche Fortschritt durch die Arbeit wird als ein horizontaler Zeitstrahl gedacht, als Weiterentwicklung nach Vorne; durch die Privatisierung der Produkte der gesellschaftlichen Arbeit bleibt dieser Zeitstrahl kollektivsymbolisch jedoch nicht in der Horizontalen, sondern wird als ^Höherentwicklung gedacht. Das Wertvolle kommt nicht mehr direkt von Oben, von Gott, sondern wird von Unten nach Oben entwickelt. In unserer Kollektivsymbolik wird diese Entwicklung nach Obenrechts allerdings von Oben geleitet / herangezogen.
