In Bayern haben die Freien Wähler das Volksbegehren gegen Studiengebühren gestartet. Es ist im Sinne von Menschen mit einer sogenannten “niedrigen” Herkunft, wenn Studiengebühren abgeschafft werden. Nicht weil die 400-500 Euro pro Semester bereits nennenswert abschrecken, sondern weil diese Gebühren eine Einstiegsdroge sind und sehr schnell sehr viel höher werden können. Daher ist es zu begrüßen, wenn die Studiengebühren abgeschafft werden.
Aber die Freien Wähler scheinen hier eher bürgerliche Interessen zu vertreten. Sie sind ein Müsterbeispiel für die These vom taz-Bildungsredakteur Christian Füller, dass die Abschaffung der Studiengebühren vor allem den Studierenden aus der gut situierten Mittelschicht nützt. Denn die Freien Wähler haben während des Hamburger Schulkampfes extra einen Landesverband gegründet, um die Abschaffung der frühen sozialen Selektion zu verhindern. Nur die FDP und die NPD waren neben den Freien Wählern für die Beibehaltung der Selektion nach der vierten Klasse. Leider setzten sich die Eltern aus den reichen Villenvierteln Hamburgs mit einem Volksbegehren durch und die Verschiebung der sozialen Selektion auf die sechste Klasse scheiterte.
Heute teilte die Nachrichtenagentur dapd mit, dass die Freien Wähler in Bayern keine Koalitionsaussage machen, weil die SPD sich nicht von der Schulstrukturdebatte verabschiedet habe. Wenn wir dies nicht nur als Taktiererei abtun (die Freien Wähler sind gerade dabei, die Unterstützung der rechtspopulistisch-rechtslibertären Wahlalternative 2013 zu verlieren), scheint es für die Freien Wähler in Bayern ein essentieller Punkt zu sein, dass die Schulstruktur (Selektion nach der vierten Klasse in Hauptschule/ Realschule /Gymnasium) bleibt. Gerade in Bayern ist die soziale Selektion noch höher als in anderen Bundesländern, wie verschieden Bildungsstudien (PISA) ergaben. Die Wahrscheinlichkeit ein Gymnasium zu besuchen ist für Kinder aus der Oberen Dienstklasse 6,65 mal höher als für Kinder von Facharbeiter_innen. Beim Vergleich mit Kindern von ungelernten Arbeiter_innen wird die Ungerechtigkeit noch deutlicher.
Das heißt nicht, dass die Studiengebühren bleiben sollen. Wenn aber die Freien Wähler das Argument heranziehen, dass Studiengebühren “unsozial” seien, weil sie Arbeiterkinder vom Studium abhalten, so ist dies ein Hohn. Dieser Hohn wird noch deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Freien Wähler mit Hans-Olaf Henkel zusammenarbeiten, einem Sarrazin-Fan, der für die Bank of America für die geächtete Praxis des Redlining eintrat, also armen Vierteln grundsätzlich keine Kredite mehr zur Verfügung zu stellen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist noch, dass die Freien Wähler gar nicht die Studiengebühren generell abschaffen wollen. Ich schließe mich hier der Position von Kurt Stiegler vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren an:
Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren kennt nur eine sinnvolle Form der ergänzenden Finanzierung von Hochschulbildung: progressiv sozial gerecht gestaffelte Steuereinnahmen, die anfallen, wenn Absolvent_innen in das Berufsleben wechseln und sich mit ihren Abgaben an der Finanzierung öffentlicher Bildung beteiligen.
Leider haben die Freien Wähler einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, da die Wahlalternative 2013 weitgehend zum ideologischen neoliberalen Spektrum wie beispielsweise der Österreichischen Schule um Hayek gehört. Vertreter dieser Ideologie verhindern momentan in den Vereinigten Staaten die Einigung zwischen Demokraten und Republikanern: Die Chefs von Freedomworks, der republikanischen Hardcoreszene von Kompromissverweigerern schrieben das Manifest der Tea Party Bewegung und wollen selbst Steuererhöhungen für Einkommen ab einer Millionen Dollar jährlich verhindern. Wenn sich Henkel und die Wahlalternative bei den Freien Wählern weiter durchsetzt, dann werden die Freien Wähler zur Sammelgruppe einer deutschen Tea Party Bewegung. Am 1. Januar entscheidet sich allerdings, ob die Wahlalternative 2013 eine eigene Partei gründen will. Dies wäre die Chance für die Freien Wähler, den Weg in die soziale Kälte zu vermeiden und sich von den Bündnispartner wie Karl Adam, Hans-Olaf Henkel und Bernd Lucke zu verabschieden.
Irene (@irene_muc)
Aber die Freien Wähler scheinen hier eher bürgerliche Interessen zu vertreten. Sie sind ein Müsterbeispiel für die These vom taz-Bildungsredakteur Christian Füller, dass die Abschaffung der Studiengebühren vor allem den Studierenden aus der gut situierten Mittelschicht nützt.
Wem die Abschaffung der Studiengebühren nützt, hängt doch nicht davon ab, welche Partei sie fordert.
Das Argument gegen Studiengebühren war ja eigentlich mal, dass sie Arbeiterkinder stärker vom Studium abhalten als andere. Dass Arbeiterkinder auf dem Gymnasium eine Minderheit sind (und sich die Mittelschicht in der Summe mehr Geld spart), ändert daran überhaupt nichts.
(Dieser Blogeintrag zeigt, dass ideologischer Eifer das logische Denken beeinträchtigt.)