Website-Icon Andreas Kemper

Wer ist dieser Tilman Krause?

Ein aktueller Artikel zur Aberkennung von Schavans Doktorgrad mit dem Titel Schavan ist ein spätes Opfer des SPD-Bildungswahns, sorgt derzeit für ein Twitter-Gewitter. Tilman Krauses absurde Idee, die CDU-Bildungsministerin sei ein Opfer der SPD-Bildungspolitik der 1970er Jahre, wird mit dem Twitter-Hashtag #dieSPDwars verspottet. Aber Krause zielte nicht einfach gegen die SPD, sondern viel mehr gegen das, was er Bildungswahn nennt. Damit steht er nicht allein, vor wenigen Woche machte die Vokabel Abiturwahn die Runde. Und Krause kämpft bereits seit über einem Jahrzehnt gegen den Bildungswahn, der Arbeiterkindern den Hochschulzugang öffnen will.

Wer ist Tilman Krause? Krause ist ein „Literaturkritiker“, der für die Springerpresse arbeitet. Seine Kritik an der SPD-Bildungspolitik basiert auf einem Standesdünkel, den Krause dummdreist zur Schau trägt. Hier sind Beispiele aus seinem aktuellen Artikel vom 7.2.2013:

„Der Ausverkauf von Bildung, der naive Glaube, jeder könne ein Intellektueller sein und der Aufstieg ins Bildungsbürgertum lasse sich in zwei, drei Jahren bewältigen – all diese törichten Illusionen sind auf sozialdemokratischem Mist gewachsen. […]

Was soll man aber von einer Frau halten, die, aus einfachen Verhältnissen kommend, promovieren will um jeden Preis, hauptsächlich aber ohne vernünftig studiert zu haben?“

http://www.welt.de/kultur/article113455288/Schavan-ist-ein-spaetes-Opfer-des-SPD-Bildungswahns.html

So warnte er vor zwölf Jahren im Zeitungsbeitrag „Achtung, erste Generation“ vor den Bildungsaufsteigern:

„Mit dem ‚Bildungsboom‘ der siebziger Jahre, und das war von allen ‚Kulturbrüchen‘ im Gefolge von ’68 mit Abstand der größte, hielten an den Gymnasien und an den geisteswissenschaftlichen Fakultäten jene Heerscharen Einzug, die in erster Generation mit Gelehrsamkeit konfrontiert wurden. (…).

Der Loslösung von ihrer proletarisch-kleinbürgerlichen Herkunft bedürftig (…) waren sie die denkbar leichteste Beute jener (…) Weltverbesserungspläne, die damals an den Universitäten grassierten. Sie kamen aus dem intellektuellen Nichts und fraßen brav, was ihnen angeboten wurde. Wie auch anders? Sie kannten ja nichts, von Haus aus. Dies sollte nun ihre geistige Heimat sein, und da schlugen sie umso tiefere Wurzeln, je kompromissloser sie mit ihren jetzt meist verachteten Ursprungsmilieus brachen.“

http://www.welt.de/print-welt/article430344/Achtung-erste-Generation.html

2002 ging es weiter in einer Laudatio für den rechts-konservativen Arnulf Baring:

„In den Geisteswissenschaften gaben junge Leute, die nur noch Sekundärtexte lasen, hochgezüchtetes Lacancan und Derridada von sich; je ungeistiger, illiterater die Elternhäuser gewesen waren, desto delirierender.“

http://www.welt.de/print-welt/article388097/Konservativ-und-frei-Arnulf-Baring-zum-70-Geburtstag.html

Mit meiner kurzen Recherche habe ich dann für die Folgejahre keine entsprechenden Äußerungen mehr finden können. Selbst der Springer-Presse war es wahrscheinlich peinlich, in der Zeit der ersten PISA-Veröffentlichungen eine sogenannte „niedere“ sozialen Herkunft so zu bashen, wie sie es kurz zuvor ihrem leitenden Literaturredakteur noch gestatte. Selektionsweltmeister mit einem einem mäßigen Abschneiden in der Gesamtleistung zu sein, verbat für kurze Zeit das offene Eintreten für die die Diskriminierung von Arbeiterkindern.

Letztes Jahr gab es dann doch ein Comeback im Prolet_innen-Bashen. In Antisemitismus-Debatten ist es für bestimme Schichten immer sehr befreiend, das Proletariat und die Proletarisierung als die Schuldigen zu sehen. Die „alte Elite“ soll dann selbstredend projüdisch gewesen sein (wie sein Großvater, der nur versehentlich Mitglied im antisemitischen VdSt gewesen ist?). Und das Kleinbürgertum wird erst dann antisemitisch, wenn es sich „proletarisiert“. Also nicht die Angst vor einer Proletarisierung macht es antisemitisch, sondern die Proletarisierung selber. Proletarisierung heißt in dieser verdrehten Denkweise nicht, dass Kleinbürger in Fabriken arbeiten, sondern Proletarisierung heißt, dass das Kleinbürgertum für die niederen Instinkte der Untermenschen anfällig wird. Tilman Krause zu Günther Grass und seinem Gedicht, welches die Antisemitismus-Debatte auslöste:

„[…] wie kann ein solcher Mann sich einen derartigen intellektuellen Offenbarungseid gestatten?

Aber vielleicht hat er ihn sich gar nicht „gestattet“, vielleicht rächt sich jetzt ganz einfach das lange Verdrängte, vielleicht kommt auf seine alten Tage eben doch der glühende Nazi, der er einmal war, durch die Hintertür wieder hereinspaziert? Man darf ja nicht vergessen, dass Grass, Walser, Wolf und andere aus illiteraten Elternhäusern stammen, die der NS-Ideologie geistig nichts entgegenzusetzen vermochten.

Diese Kleinhäusler und Kleinhändler waren das Milieu, mit dem die Nazis ihr „Weltreich“ aufzubauen gedachten. Die alten Eliten waren dem braunen Mob suspekt, sie wurden unterdrückt und wenn irgend möglich auch vernichtet. Doch dieses proletarisierte Kleinbürgertum der Grassens und Walsers, von beiden in der „Blechtrommel“ und im „Springenden Brunnen“ anschaulich beschrieben, das wurde nun auf einmal politikfähig. Von eben diesem ungeheuren Missverhältnis kündet nun, wie vor siebzig Jahren, Grassens angemaßte Präzeptorenrolle. Da gibt es noch viel aufzuarbeiten.“

http://www.morgenpost.de/kultur/article106156817/Grass-Anti-Israel-Gedicht-steckt-voller-NS-Stereotypen.html

Auf der Seite Archivalia finden sich weitere bemerkenswerte Zitate, Krause outet sich dort u.a. als Monarchist: http://archiv.twoday.net/stories/3013603/comments/3019690/comment

Wer dieser Tilman Krause ist, wie er tickt, sollte etwas klarer geworden sein, bleibt nur die Frage: Was soll man aber von einem leitenden Literaturredakteur halten, der, ein stolzer Abkömmling von Hofdienern, um jeden Preis standesdünkeln will, ohne je körperlich gearbeitet zu haben?

Nachtrag vom 01.09.2014

Nach Tilman Krause ist auch der Osten übrigens aufgrund der realsozialistischen Geschichte („Verproletarisierung“) grundsätzlich kulturlos: http://einwende.de/2014/08/ostdeutsche-regie-wir-schliessen-horizonte/

Die mobile Version verlassen