Website-Icon Andreas Kemper

AfD: Nationalkonservative setzen sich in NRW durch

Beim Landesparteitag der AfD in NRW wurde am 07./ 08. Juni 2014 Marcus Pretzell zum neuen Landessprecher (Vorsitzender) gewählt. Als Beisitzer wurde Sven Tritschler gewählt.

Pro-UKIP-Fraktion

Tritschler und Pretzell sind der Öffentlichkeit bereits bekannter geworden, als Tritschler in seiner Funktion als Landessprecher der Jungen Alternative für Deutschland (JA) den Chef der nationalkonservativen Partei UKIP, Nigel Farage, nach Köln zu einer Veranstaltungen einlud, an der Marcus Pretzell teilnahm. Da der Bundesvorstand zuvor angemahnt hatte, dass keine weiteren öffentlichen Treffen mit Parteien ohne Absprache mit dem AfD-Vorstand stattfinden sollten ohne dies zuvor mit dem Vorstand abzustimmen, erhielt Pretzell eine Rüge für seine Teilnahme.

Diese Rüge und weiteres als „autokratisch“ wahrgenommenes Verhalten des Parteivorstandes, insbesondere des Sprechers Bernd Lucke, sorgte in NRW für Unmut. Der damalige NRW-Parteisprecher Jörg Burger und ein Beisitzer, Jörg Himmelreich, verließen aus Protest nicht nur ihre Ämter, sondern traten komplett aus der Partei aus. Dieses Rücktritte machten die Neuwahlen am letzten Wochenende nötig. Provisorisch hatte von März bis Anfang Mai Hermann Behrendt den Landesvorsitz übernommen. Behrendt geriet in die Kritik, weil er in einer 2011 publizierten „Realutopie“ die Abschaffung der Parlamentarischen Demokratie empfahl, um dann u.a. Streikrecht und Kündigungsschutz abschaffen zu können. Behrendt wollte eigentlich für ein neues Amt nicht mehr kandidieren. Tatsächlich hat Behrendt nicht mehr kandidiert, wurde jedoch stellvertretender Sprecher.

Verharmlosung des NS-Antisemitismus

Dass Behrendt nun doch stellvertretender Sprecher der AfD-NRW ist, wurde durch den Rück- und Austritt Hans-Werner Schmitz ermöglicht. Schmitz hatte sich für ein Parteiausschlussverfahren gegen den Essener AfDler Marco Trauten eingesetzt. Die Jüdische Allgmeine berichtete, Trauten habe auf seiner Facebook-Seite „Parallelen zwischen den Boykottaufrufen der NSDAP gegen jüdische Geschäfte und einem aktuell ’staatlich verordneten Antifaschismus‘ in Deutschland“ hergestellt. Der Landesparteitag hatte sich am letzten Wochenende hinter Trauten gestellt und mit einer deutlichen Mehrheit dafür votiert, das Parteiausschlussverfahren zu beenden. Hans-Werner Schmitz trat daraufhin aus der AfD aus. Seinen Sprecher-Posten übernahm daraufhin Hermann Behrendt.

Die Jüdische Allgmeine kritisierte nicht nur Trautens Verharmlosung des nationalsozialistischen Antisemitismus, sondern u.a. auch eine ähnliche Verharmlosung durch Postings der Jungen Alternativen NRW: Diese „zeigte etwa auf ihrem Facebook-Profil eine Fotomontage, die Graffiti der örtlichen Antifa mit Bildern des ‚Judenboykotts‘ der Nazi-SA aus den 30er-Jahren gegenschnitt. In einem grafischen Symbol wird die Antifa als ‚Rote SA‘ diffamiert.“ Deren Sprecher, Sven Tritschler, wurde nun in den Vorstand der AfD NRW gewählt.

Mit diesen Entscheidungen hat sich in NRW komplett die nationalkonservative Linie durchgestzt, die in Opposition zur Parteiführung um Lucke und Henkel steht. Alexander Dilger, ehemaliger neoliberaler Vorsitzender der AfD-NRW bat seine Parteikolleg*innen, jetzt nicht aus der AfD auszutreten. Er selber kündigte aber an, seine Tätigkeiten in der AfD ruhen zu lassen. Wenige Tage vor dem Landesparteitag hatte er sich gegen einen angekündigten Massenaustritt der Liberalen aus der AfD gewandt.

Neuausrichtung als nationalliberale Familien- und Bildungspartei

Da im August und September Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg anstehen, wird die nationalkonservative Fraktion in der AfD weiter gestärkt werden. Das Parteiprogramm der AfD Sachsen spricht dort eine eindeutig nationalkonservativ-bevölkerungspolitische Sprache. In Thüringen sind vor wenigen Monaten zahlreiche aktive Mitglieder ausgetreten, weil die Landessprecher deutlich nationalkonservativ auftreten. In Brandenburg wurde Alexander Gauland zum Spitzenkandidaten gewählt, der von „nationaler Identität“ und „nationalliberalen Lebensgefühl“ bei der AfD schwärmt. Dort wird demnächst die Marschmusik der AfD spielen, nicht in den Auseinandersetzungen mit dem Euro oder der EU. Die AfD wird sich in den nächsten Monaten als „Familien- und Bildungspartei“ darstellen. Die Familienpolitik wird als bevölkerungsqualitative Politik verstanden, es geht um die nationalkonservative Privilegierung der Privilegierten.

Ausblick

Die Neoliberalen in der AfD haben zunächst mit den Entwicklungen nach den EU-Wahlen genug zu tun. Henkel und Lucke werden auf die Nationalkonservativen zugehen müssen. Das wird den potentiellen Unterstützern der AfD, den Verbänden der Familienunternehmer, nicht gefallen, bspw. wegen der Ablehnung des Freihandelsabkommens TTIP durch Nationalkonservative wie Pretzell. Die AfD wird langfristige diese Unterstützung benötigen. Ideologisch dürfte ein Zugehen auf die Nationalkonservativen den Neoliberalen nicht so schwer fallen, da Henkel sich als einer der größten Fans Sarrazins geoutet hat und Sarrazin wiederum erzählte, dass Lucke ihn gebeten habe, der AfD beizutreten. Überhaupt darf man sich die Neoliberalen in der AfD nicht als nicht-rechts vorstellen. Henkel strebt eine „Reform der politischen Entscheidungsstruktur“ an, um dann unternehmensnahe Reformen zu ermöglichen. Wie weit diese Strategie gehen könnte, hat Hermann Behrendt in seiner „Realutopie“ „Mandative Demokratie“ verdeutlicht. Wie rechts diese Positionen sind, kann man dort ausgiebig nachlesen. Dennoch gehört Behrendt eher zur Henkel-Fraktion. Henkel und Pretzell stehen für unterschiedliche Strategien der Ungleichheit. Sollte sich Pretzell durchsetzen, würde die AfD vermutlich zu einer REP2.0 werden; würde sich Henkel durchsetzen, entstünde eine rechte FDP2.0. In beiden Fällen würden die Entwicklungen dazu führen, dass die AfD unter 5 Prozent sinken würde.

Nachtrag 10.06.

Der AfD-Landesverband NRW hat als erster die Junge Alternative zu ihrer Jugendorganisation erklärt. Nach den Vorfällen der letzten Zeit ist diese Anerkennung als nachträgliche Legitimierung zu betrachten und damit auch als eine weitere Orientierung nach rechts zu sehen.

Zudem wurde ein Blog-Beitrag eines der letzten verbliebenen neoliberalen Mitglieder in NRW verurteilt. Alexander Dilger hatte kurz vor dem Parteitag noch Liberale dazu aufgefordert, die AfD nicht zu verlassen. Selbst nach der Wahl von Pretzell und Tritschler foderte er dazu auf, in der AfD zu bleiben. Dennoch wurde eben dieser Artikel verurteilt. Vor dem Hintergrund des Beschlusses, das Parteiauschlussverfahren von Marco Trauten einzustellen, wiegt die Verurteilung von Dilger noch einmal schwerer. Dieses Nachtreten interpretiere ich als entschlossenen Willen, die Partei von (neo)liberalen Positionen und Mitgliedern zu säubern.

 

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