Website-Icon Andreas Kemper

Gewalt und Kredit: Die AfD wiegelt sich auf

Hans-Olaf Henkel gibt der AfD einen Kredit in der Höhe von einer Millionen Euro, weil der Staat die AfD „nicht mehr schützen könne“. Am selben Tag dieser Presseerklärung greift der Saalschutz der AfD in Bremen Journalist*innen an. Wenige Tage zuvor zog der stellvertretende Kreissprecher der AfD Bochum nach einer verbalen Auseinandersetzung eine Gaspistole.

„Antifa-Mob im Blutrausch“, „Demokratie-Exzesse“

Die AfD peitscht sich in ihren Foren gegen eine vermeintliche Gewalt auf, die Vorfälle in Bremen und Bochum sind direkte Ergebnisse eines sich hochschauckelnden Verfolgungswahns. Die Medien sind hieran nicht ganz unschuldig. „In den vergangenen Tagen wurden die Wände des Wohnhauses eines Kreisvorstandsmitglieds mit Benzin übergossen.“ berichteten im August 2013 größere Zeitungen wie die WELT. Dies stellte sich als unwahr heraus: gegen das inzwischen ausgeschiedene Kreisvorstandsmitglied wird in verschiedenen Fällen ermittelt, u.a. wegen Diebstahl aus der Parteikasse der AfD Göttingen. Doch diese Falschmeldung war kein Einzelfall.

Alle größeren Medien berichteten im letzten Jahr von einer „Messerattacke“ und einen „Gasangriff“ von „zwanzig Vermummten“ auf Bernd Lucke. Tatsächlich wurde Lucke von zwei (nicht vermummten) Pers0nen geschubst – mehr aber auch nicht, wie die Polizei kurze Zeit später klarstellte. Und ein Schubser ist etwas anderes als eine Messerattacke durch zwanzig Vermummte.

Von interessierter Seite wurde der Vorfall noch weiter aufgebauscht. Unter dem Titel Alternative für Deutschland: Messerattacke gegen Bernd Lucke – Der Antifa-Mob im Blutrausch beklagte sich die eigentümlich frei am 25.8.2013: „Rot-Grün wählt längst schon die Masse der Systemjournalisten. Es verwundert kaum, dass den Massenmedien die Attacke gegen Bernd Lucke bisher nur ein Randnotiz wert war. Dem Blutrausch von linksaußen steht nur noch wenig im Wege.“ Zudem wurde diese vermeintliche Bluttat als „der bislang traurigste Höhepunkt des Demokratie-Exzesses“ bezeichnet und die Heinrich-Böll-Stiftung mitverantwortlich gemacht. (Verfassungsänderung gegen „Antifa-Mob im Blutrausch?“)

Einen Tag später, am 26.8., nutzte auch Henkel die aufgepeitschte Stimmung, um eine neue Verfassung zu fordern, in der Parteien und Parteienstiftungen („getarnten Propagandaabteilungen“) dann weitgehend entmachtet sind.

Diese „Reform der politischen Entscheidungsstruktur“ forderte er schon seit 1997 in einem Sammelband zur „Ruck-Rede“ des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog. Es wird mit dieser neuen Verfassung leichter, unpopulären Sozialabbau umzusetzen, den seine Vorstandskollegen schon lange fordern, so Bernd Lucke im „Hamburger Appell“ von 2005 (Abschaffung der Sozialhilfe) und so auch Konrad Adam, der ebenfalls im Sammelband von 97 einen Artikel verfasste: „Wenn man mich nur lässt: Zum notwendigen Rückbau des Sozialstaates“.

Verfassungsänderungen sukzessive durchsetzen

Adam und Henkel gehen davon aus, dass dieser Rückbau des Sozialstaates in der jetzigen Parteiendemokratie nicht so einfach umzusetzen ist. Daher forderte Henkel bereits vor knapp zehn Jahren die Ersetzung unseres Verhältniswahlrechts durch ein Mehrheitswahlrechts, welches ein Linksbündnis unmöglich mache. Und Adam ging noch einen Schritt weiter und stellte das allgemeine Wahlrecht in Frage. Er reagierte mit seinem Artikel von 2006 „Wer soll wählen?“ auf den Herausgeber der oben bereits genannten Zeitschrift „eigentümlich frei“, André Lichtschlag. Allerdings machte Lichtschlag deutlich, dass es sich um einen langen Weg handele: „Eigentum statt Mitbestimmung. Freiheit statt Demokratie. Ein langer Weg.“ (Editorial der „eigentümlich frei“ vom 26.3.2012, Schwerpunkt: „Demokratie als Irrtum“) Ähnlich argumentierte kurz zuvor der aktuelle Sprecher des größten Landesverbandes der AfD, Hermann Behrendt. Die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie und dann des Streikrechts, Kündigungsschutzes, usw. sei ein langer Weg, für den die Gründung einer neuen Partei durchaus nützlich sei. Diese „Realutopie“ müsse „nicht in einem Guß realisiert werden […] Die nötigen Verfassungsänderungen könnten […] sukzessive durchgesetzt werden.“ Dass der Verfassungsschutz hier nicht aktiv wird, erklärte sich ein Vordenker dieser Richtung, Hans-Heinz Hoppe, in einem Interview mit der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit folgendermaßen: „Der Verfassungsschutz weiß doch gar nicht, was er mit mir und meiner Position anfangen soll. Ich befinde mich völlig außerhalb der gängigen politischen Klassifikationsschemata.“ Hoppe hatte in der Ausgabe von Lichtschlags „eigentümlich frei“ mit dem Schwerpunkt „Demokratie als Irrtum“ ebenfalls einen Artikelbeitrag („Etatistischer Irrtum: Der demokratische Staat“).

Staatschutz gegen Info-Veranstaltungen?

Nach den vermeintlichen Vorfällen im August 2012 wurde im Umfeld der AfD eine Prangerseite (gewaltgegendieafd.de) erstellt. Hier wurden 25 Personen, zum Teil mit Foto aufgelistet, „die geeignet sein könnten, die Gewalt gegen die Alternative für Deutschland zu begünstigen!“. In meinem Fall reichte es aus, die AfD als demokratiefeindlich zu kennzeichnen, um als einer der ersten in diese Liste zu kommen.

Damals war bereits medienwirksam von einem „Abbruch des Wahlkampfes“ die Rede. Und auch im jetzt stattfindenden Wahlkampf äußert sich der Landessprecher der AfD Niedersachsen wieder entsprechend. Der Wahlkampf sei nicht nur durch die rohe Gewalt beeinträchtigt, sondern auch aufgrund kritischer Informationsveranstaltungen zur AfD. In einer AfD-Presseerklärung wird der Landessprecher Paul Hampel mit den Worten zu einer Info-Veranstaltung in Lüneburg zitiert: „Es scheint keinem Staatsanwalt in den Sinn zu kommen hinter solcher Fassade die Entwicklung politischen Bandentums zu erkennen, geschweige denn, daraus strafrechtliche Konsequenzen zu ziehen.“

Auch Henkel beschwert sich in seiner aktuellen Erklärung darüber, dass der Staat die AfD nicht davor schütze, in die rechte Ecke gedrängt zu werden. So geht es Henkel zunächst nur um „Verunglimpfungen“:

„Über die Alternative für Deutschland und ihr Führungspersonal wird seit Monaten in vielen Medien immer wieder sachlich falsch oder grob verzerrend berichtet. Die AfD hat keine Möglichkeiten, gegen die Schädigung ihres Ansehens vorzugehen […] Wir verzeichnen anhaltende Bemühungen, die AfD, ihre Mitglieder und Sympathisanten in die rechte Ecke zu schieben. Randerscheinungen, die beim Aufbau einer neuen Partei unvermeidbar sind, werden als typisch für die Parteilinie dargestellt. […] Die AfD gibt die Namen von Darlehensgebern nicht bekannt, um diese vor Anfeindungen durch militante Linksextremisten zu schützen. Bedauerlicherweise kann unser Staat diesen Schutz nicht gewährleisten.“

Erst danach ist auch von körperlichen Angriffen der Linksextremisten die Rede. Und von zerstörten Plakaten, weshalb Henkel jetzt eine Millionen Euro spende, um die demokratische Chancengleichheit für die AfD wieder herzustellen.

Gewalt gegen Nazis oder Aufklärung über Sozial- und Demokratiefeindlichkeit?

Was Henkel jedenfalls gründlich falsch verstanden hat und falsch verstehen will: Wenn die AfD kritisiert wird, dann nicht, weil am Rand irgendwelche Nazis mitmischen, sondern weil im Zentrum der Partei solche Leute wie Henkel sitzen. „Die Antifa“, zu der Konrad Adam in der neurechten Wochenzeitung schrieb: „Die Antifa lebt vom Dritten Reich wie die Fliege vom Kot; ohne diese Nahrung müßten ihre Mitglieder verhungern.“ (Moderne Pharisäer, 26.9.2013), hatte vor kurzem erst einen Kongress in Berlin. In einem Interview mit der taz hieß es zum Umgang mit der AfD: „Jetzt zur Europa-Wahl drucken wir Flyer, auf denen Auszüge aus dem AfD-Programm stehen, und die werfen wir genau in den betroffenen Gegenden in die Briefkästen. Die Leute sollen sehen, wofür die Partei eigentlich steht: Für Sozialabbau, dafür, dass Arbeitslosen das Wahlrecht entzogen werden kann.“ Gemeint sind damit nicht die paar Nazis am Rand der AfD, sondern die öffentlich nachlesbaren Positionen von Henkel, Adam, Lucke, Behrendt usw. Der Ruf nach Staatsschutz von Henkel und Lauber gegen Aufklärung ist Teil dieser Selbstaufwiegelung, der dann im Ziehen von Gaspistolen und Gewalt gegen Journalist*innen endet.

Nachtrag 1. Mai 2014

Tobias Raff – ein Kritiker der AfD – erhielt gestern Morgen einen Anruf von der Kripo. Da er sich kritisch zur AfD geäußert hatte, wandte sich der Kreisverband an die Polizei, die dann bei Herrn Raff nachfragte, ob er vorhabe eine Veranstaltung der AfD zu stören.

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