In den letzten Tagen sind eine Reihe von gut recherchierten Büchern zur AfD erschienen, in denen versucht wird, die AfD politisch zu verorten (Häusler/Roeser: Die rechten “Mut”-Bürger, Friedrich: Der Aufstieg der AfD, Bebnowski: Die Alternative für Deutschland, Bednarz/Giesa: Deutschland dreht durch). Während dort der Faschismus-Begriff vermieden wird, bringen AfD-Politiker den Faschismus-Begriff selbst verstärkt in die politische Debatte. Im folgenden Artikel werde ich auf den Faschismus-Begriff eingehen, wie er von AfDlern benutzt wird, was davon zu halten ist und wie er – stattdessen – wissenschaftlich fundiert benutzt werden könnte. Anlass ist eine aktuelle Rede eines AfD-Mitgliedes.
Während einer MVgida-Demonstration, also einer Demo der Pegida in Mecklenburg-Vorpommern sprach Dr. Ludwig Flocken (AfD) von “Linksfaschisten”, der “schwarzroten Fahne der Linksfaschisten”. Die MVgida soll nach Erkenntnissen der taz von “NPD, rechte Hooligans und Freie Kameradschaften” dominiert sein. Flockens Rede wurde von PI-News dokumentiert. In dieser Dokumentation wurden Nationalsozialisten als Sozialisten dargestellt durch die Schreibweise “NationalSozialisten”.
“Die Nazi-Diktatur war übrigens nicht rechts”
Es ist bereits seit langem in der AfD üblich, Nationalsozialisten mit Sozialisten gleichzusetzen. Bereits am 20.07.2013 teilte die AfD auf ihrer offiziellen Homepage mit:
“Sie wissen, dass Staufenberg ein Rechter war? Als einer der wenigen, die ihr Leben gegen die Nazi-Diktatur einsetzten? Die Nazi-Diktatur war übrigens nicht rechts. […] Wenn es einen Antifaschismus in Deutschland gab, dann waren es jene Widerständler.”
Auch die AfD-Berlin tweetete am 15.4.2014:
“DIE [Nationalsozialisten; A.K.] waren eher links als rechts. Heißen auch nicht umsonst Sozialisten.”
Genauso gut könnte man darauf verweisen, dass die NSDAP eine “Arbeiter-Partei” gewesen sei. Das entspricht zwar nicht der Wahrheit, die NSDAP rekrutierte sich aus allen Teilen der Gesellschaft und sehr viel stärker aus dem Kleinbürgertum als aus der Arbeiterklasse, und vor allem der Adel war in den Führungskreisen der NSDAP überproportional vertreten, aber bereits damals wurde die NSDAP mit einer angeblichen “Proletarisierung” der Gesellschaft gleichgesetzt. Die NSDAP betrieb als selbsternannte “Arbeiter-Partei” übrigens eine “Entproletarisierung”. Es sollte nur noch eine organische ständisch-gegliederte Volksgemeinschaft geben mit “Arbeitern der Faust und Arbeitern der Stirn”. Mit marxistischem Klassenkampf hat dies sehr wenig zu tun. Die NSDAP wollte die Klassengesellschaft zur Stände-Gesellschaft zurückentwickeln, der Marxismus will die Klassengesellschaft auflösen.
In der Rede des AfDlers Flocken wird von “200 Linksfaschisten” gesprochen, die am 1. Dezember in Dresden “einen Spaziergang von 8000 friedlichen Bürgern” blockierten. Zum Hintergrund: Einige dieser sogenannten “Spaziergänger” riefen mit bekannten Nazi-Parolen dazu auf, die “Multikultur” “kaputt zu machen”, da diese “töte”. Die AfD Thüringen verbreitete diese Parolen unverhohlen auf ihrer offiziellen Website und sprach ganz dreist trotzdem ebenfalls von “Spaziergängern”. Ich berichtete darüber in meinem Beitrag AfD-Landtagsabgeordnete Muhsal macht sich ein Bild.

“Das System ist am Ende – wir sind die Wende” war das Motto einer NPD-Kundgebung in Gießen. Hier in Dresden (Pegida-Demo) wird es passend ergänzt um “Multikultur tötet!” und “Macht kaputt, was euch kaputt macht”. Foto auf der Homepage der AfD Thüringen.
Wer diese “Spaziergänge” von “friedlichen Bürgern” zu blockieren versuche, soll hingegen ein “Faschist” sein.
Weiter behauptet Dr. Flocken, gerichtet an die AfD-Kritiker*innen: “Ihr seid die neue SA, gesteuert und bezahlt von unseren Steuergeldern aus dem Familienministerium; und weil seit einem Jahr auch Verfassungsfeinde im Auftrag der Regierung prügeln dürfen, heißt Ihr auch Leibstandarte Adolphine Schwesig.” Auf die “Leibstandarte Adolf Hitler” wird gleich noch einzugehen sein.
Noch ein weiteres Zitat aus der Rede von Dr. Flocke ist interessant: “Lest die Maobibel, Mein Kampf und den Koran, ihr findet jeweils ein wahnhaftes Gedankengebäude. Wer Eure Propaganda liest oder anhört, der findet ein Gedankengefängnis an politischer Korrektheit, und ein Ausmaß an Beschimpfungen, Unterstellungen und Lügen, das auch die genannten drei großen totalitären Ideologien selten hervorbrachten.” Auch auf die Behauptung, “poltische Korrektheit” sei ein “Totalitarismus”, der mit dem NS-Regime vergleichbar sei, werde ich noch eingehen. Doch der Reihe nach…
“Linksfaschisten”, SA und “Leibstandarte Adolphine Schwesig”
Der Nationalsozialismus war nicht nur kein Sozialismus, er war überhaupt keine einheitliche Ideologie ohne Widersprüche. Es gab verschiedene Strömungen, die auch verschiedene Klassenfraktionen spiegelten. So galt die “Sturmabteilung”, die “SA”, die sich vorwiegend aus deklassierten Kleinbürgertum und Arbeitslosen rekrutierte, innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung als links. Tatsächlich positionierte sich die SA aber vorwiegend gegen Sozialdemokrat*innen, Kommunist*innen, Anarchist*innen und Gewerkschaften, die sie überfiel, mit denen sie sich Straßenschlachten lieferte und die nach der Machtergreifung der Nazis auch die ersten Opfer der SA wurden. Wenn die SA von einer “zweiten Revolution” sprach, so waren damit tatsächlich die Hoffnungen des verarmten Kleinbürgertums nach einer größeren Umverteilung gemeint. Wenn im Umfeld der SA oder von Gregor Strasser jedoch von Forderungen nach einem “völkischen Sozialismus” oder einem “nationalen Sozialismus” gesprochen wurde, so hatte das nichts mit dem Sozialismus gemein, den wir heute kennen. Strasser sprach sich gegen eine Verstaatlichung der Industrie, gegen eine Verstaatlichung des Handels und gegen eine Planwirtschaft im Sinne der Sowjetunion aus. Es gab in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Vorstellungen von einem Sozialismus, der konkret gegen den Marxismus gewand war. Selbst Oswald Spengler, der Inbegriff des Konservativismus, hatte ein Buch zum “Preußischen Sozialismus” verfasst.
Neben der innerhalb des NS-Regimes als “links” geltende SA gab es auch konservative Kreise, die die Interessen der Gutverdienenden vertraten und ein Durchgreifen gegen die SA forderten. Im Juni 1934 ging Hitler dann tatsächlich gegen die SA vor und ließ den SA-Führer Röhm und weiteres SA-Führungspersonal erschießen. Zuständig für die Operation war die “Leibstandarte Adolf Hitler”. Wie verdreht der Beitrag von Dr. Flocke ist, zeigt sich schon am tatsächlichen Verhältnis von Leibstandarte und SA: Die Leibstandarte hat die SA nicht finanziert sondern vernichtet. Organisiert wurde die Erschießung des Führungspersonals übrigens von Josias zu Waldeck und Pyrmont, Ehemann von Altburg Marie Mathilde Herzogin von Oldenburg, einer Verwandten der AfD-Spitzenpolitikerin Beatrix von Storch, geborene Beatrix Herzogin von Oldenburg. Es kann also in der AfD nicht an fehlenden Geschichtskenntnissen liegen, wenn von “Linksfaschisten” bzw. “linker SA” (u.a. in den Kommentarspalten von von Storchs Internetblog “Freie Welt”) die Rede ist. Oder genauer ausgedrückt: Wenn von “linker SA” geredet wird, dann befindet man sich in der Tradition der Nationalsozialisten, die sich damals rechts von der SA positionierten. Nachdem die SA die Linke in Deutschland durch Gewalt und Terror vor allem nach der Machtübernahme quasi “ausgeschaltet” hatte, galt es nun, die SA zu entfernen, weil selbst diese als noch zu links betrachtet wurde.
Die “Herrschaft der Minderwertigen” durch “direkte Demokratie” verhindern
Doch auch einzelne Vertreter konservativ-faschistischer Kreise wurden im Juni 1934 “ausgeschaltet”. Der Vizekanzler Franz von Papen hielt kurz zuvor eine Rede, die letzte Rede, in der Hitler und sein Machtapparat öffentlich kritisiert wurden. Im Gegensatz zu Röhm wurde von Papen jedoch nicht ermordet, sondern lediglich versetzt. Sein Redenschreiber, Edgar Julius Jung, wollte nicht wie die SA oder Gregor Strasser eine soziale Umverteilung im Ständestaat, sondern mit einer “konservativen Revolution” deutlich elitärere Ziele durchsetzen. Jung war einer der wichtigsten Vertreter der Bewegung der Konservativen Revolution, bzw. der Jungkonservativen. Er hatte 1927 das Buch “Die Herrschaft der Minderwertigen. Ihr Zerfall und ihre Ablösung” verfasst. Aber auch Jung wurde (unter anderem aufgrund seiner Kritik an Goebbels in der Papen-Rede) während der “Säuberungsaktion” gegen Röhm und Strasser ebenfalls ermordet.
An dieser Stelle möchte ich kurz einen Teil der sogenannten “Marburger Rede” von Franz von Papen zitieren:
“Neben dem Erfordernis eines Herrschaftsprinzips aus höherer Verantwortung und überpersönlicher Dauer steht — sich gegenseitig bedingend — die Notwendigkeit der Stiftung einer neuen sozialen Ordnung. Das Gefühl ihrer Notwendigkeit bewegt alle europäischen Völker, welche die gewaltigen Veränderungen der Industrialisierung, der Verstädterung, der Technisierung und der Kapitalisierung durchgemacht haben. Daß diese Sehnsucht nach sozialer Neuordnung insbesondere im Faschismus und Nationalsozialismus lebt, braucht nicht besonders betont zu werden. Andererseits aber erkennen wir, wie ungemein schwierig es ist, Masse, die den Zusammenhang mit Blut und Boden verlor, wieder in Volk zurückzuverwandeln, da doch die gesunden ständischen Bindungen und Rangordnungen im liberalen Zeitalter verlorengegangen sind. Der Nationalsozialismus legt deshalb entscheidenden Wert darauf, die Seele dieser Massen zunächst für Volk und Staat zurückzugewinnen. Dies geschieht in der Hauptsache durch Erziehung, Zucht und Propaganda. Das nationalsozialistische System erfüllt somit zunächst die Aufgabe, zu welcher der Parlamentarismus zu schwach geworden war: den unmittelbaren Kontakt mit den Massen wieder herzustellen. Es ist so eine Art von direkter Demokratie entstanden, der es gelungen ist, die dem Staat entgleitenden Massen wieder zu gewinnen. Hinter dieser zeitbedingten Notwendigkeit steht aber als revolutionäres Ziel ein viel größeres: die Stiftung einer sozialen Ordnung, die auf gemeingültigen organischen Formen beruht und nicht nur auf einer geschickten Beherrschung der Masse. Während die Französische Revolution im Parlament und im allgemeinen Wahlrecht grundlegende Formen schuf, muß es das Ziel der konservativen Revolutionen sein, durch organisch ständischen Aufbau zu solch allgemeinen gültigen Prinzipien vorzustoßen. Die Vorherrschaft einer einzigen Partei an Stelle des mit Recht verschwundenen Mehr-Parteiensystems erscheint mir geschichtlich als ein Übergangszustand, der nur so lange Berechtigung hat, als es die Sicherung des Umbruchs verlangt und bis die neue personelle Auslese in Funktion tritt.
Denn die Logik der antiliberalen Entwicklung verlangt das Prinzip einer organischen politischen Willensbildung, die auf Freiwilligkeit aller Volksteile beruht. Nur organische Bindungen überwinden die Partei und schaffen jene freiheitliche Volksgemeinschaft, die am Ende dieser Revolution stehen muß.”
Franz von Papen (bzw. Edgar Julius Jung) habe ich hier so umfangreich zu Wort kommen lassen, um vor einer neuen faschistischen Entwicklung zu warnen, die in der AfD entstehen könnte. Konkret ist hier der Landesverband Thüringen der AfD, bzw. dessen Sprecher Björn Höcke gemeint.
Kennzeichen einer faschistischen Ideologie
Während Dr. Ludwig Flocken auf einer MVgida-Demonstration den Faschismus als aktuelle Gefahr von links ausmachen will, nutzte Götz Kubitschek die Legida-Demonstration in Leipzig dazu, die nationalsozialistischen Verbrechen zu relativieren. Während seiner völkischen Rede skandierte die Menge “Deutschland! Deutschland!” und in Richtung SPD: “Volksverräter!” Heute wird er neben der AfDlerin Tatjana Festerling, die für ihre HOGESA-Unterstützung bekannt wurde, in Dresden sprechen. Zudem sind zwei weitere “Überraschungen” geplant.
Götz Kubitschek gab während eines Interviews in der Sezession mit Björn Höcke bekannt, diesen schon länger zu kennen. Er duzte ihn auch entsprechend. Höcke bedient sich der gleichen Sprache wie Kubitschek. Auch in der Gesellschaftsanalyse und in der Vorstellung der politischen Utopie scheint es keine großen Unterschiede zu geben. Hört man Kubitschek und Höcke länger zu, wähnt man sich zurückversetzt in die elitären Zirkel der jungkonservativen “Konservativen Revolution”. Tatsächlich hat die fundamentalistische Neue Rechte, zu der sich Götz Kubitschek zählt, ganz offen ihre ideologischen Wurzeln in diesen Kreisen. Und Höcke ist ideologisch ganz deutlich zu dieser fundamentalistischen Neuen Rechten zu zählen.
Ich würde daher gerne auf Faschismus-Definitionen zurückgreifen, die von dumpfen Diffamierungen (Sitzblockade = Linksfaschismus) absehen und einen objektiveren Zugang erlauben. Wenn wir nicht einfach Faschismus als eine ideologische Bewegung einer vergangenen Zeit betrachten, sondern als eine Ideologie, die auch heute noch präsent sein könnte, dann müssten sich Kernelemente einer Faschismus-Ideologie herausarbeiten lassen, mit denen eine Zuordnung aktueller politischer Ideologien zum Faschismus möglich wäre. Wie hier deutlich wird, beschränke ich mich auf die faschistische Ideologie. Man kann darüber streiten, ob jemand ein Faschist ist, wenn er eine faschistische Weltanschauung hat, oder ob dazu nicht auch noch eine sozialpsychologische Disposition gehört.
Eine klare Definition der faschistischen Ideologie liefert Matthew N. Lyons:
„Faschismus ist eine Form rechtsextremer Ideologie, die die Nation oder Rasse als organische Gemeinschaft, die alle anderen Loyalitäten übersteigt, verherrlicht. Er betont einen Mythos von nationaler oder rassischer Wiedergeburt nach einer Periode des Niedergangs und Zerfalls. Zu diesem Zweck ruft Faschismus nach einer ‚spirituellen Revolution‘ gegen Zeichen des moralischen Niedergangs wie Individualismus und Materialismus und zielt darauf, die organische Gemeinschaft von ‘andersartigen’ Kräften und Gruppen, die sie bedrohen, zu reinigen.”
Beziehen wir diese Definition auf den Text von Franz von Papen / Edgar Julius Jung, so werden die faschistischen Bezüge deutlich: Die Rede von der “organischen Gemeinschaft”, die Forderung nach einer nationalen Wiedergeburt, der “moralische Verfall” durch die Verstädterung… Von Papens/ Jungs Rede ist ein idealtypisches Beispiel für faschistische Ideologie.
Der Faschismusforscher Roger Griffin brachte Lyons Definition noch deutlicher auf den Punkt. Faschismus ist die Kombination eines Ultranationalismus mit einer Ideologie der nationalen Neu- bzw. Wiedergeburt. Er bezeichnet den Faschismus als “palingenetischen Ultranationalismus”. Palingenese meint Wieder (Palin) – Geburt (Genese), was Ultranationalismus ist, erklärt sich von selbst. Zum Beispiel, wenn ein Politiker für ein Konglomerat von Ansichten einsteht, welches zusammengenommen ein ultranationales Weltbild ergibt: der Islam sei ihm “wesensfremd”; die “ethnokulturelle Diversität” müsse aufrecht erhalten werden; Preußen sei ein “ewiger Wert”; Integration reiche nicht, Ausländer müssten sich “assimilieren”, wer sich nicht assimilieren ließe, habe sofort das Land zu verlassen; gegen das globale Zinskapital sei eine “organische Martkwirtschaft” einzurichten; Deutschland sei kein Einwanderungsland, sondern organisch gewachsen; etc.
Björn Höcke – ein palingenetischer Ultranationalist?
Die obigen Zitate sind von Björn Höcke, der als Landesfraktionschef der AfD in Thüringen und Sprecher des Landesverbandes der AfD in Thüringen durchaus ernst genommen werden sollte. Seine ultranationalistischen Sprüche sind inzwischen auf verschiedenen Internetseiten dokumentiert worden. Vertritt aber Höcke auch eine palingenetische Theorie? Einiges deutet darauf hin. Griffin hatte vor über zehn Jahren Begriffe wie “Dekadenz”, “Verfall” oder “Degeneration” als Kennzeichen eines palingenetischen Ultranationalismus ausgemacht. Und Höcke spricht sehr deutlich aus, dass Deutschland durch ein tiefes Tal gehen müsse, bevor es sich von seiner siebzigjährigen Neurose befreit habe und wieder es selbst werden würde.
Ich lasse diese Frage nach einem palingenetischen Ultranationalismus Höckes an dieser Stelle offen. Es sollte deutlich geworden sein, dass nicht die linken Kritiker*innen der AfD “Linksfaschisten” sind, sondern wenn der Begriff Faschismus heute einen Sinn macht, dann müsste man sich genauer die jungkonservativen Ideologen in der AfD genauer anschauen.
Weiter oben hatte ich einen Punkt aus der Rede von Dr. Ulrich Flocken nicht behandelt und angemerkt, dieses später zu tun. Flocken behauptete: “Wer Eure Propaganda liest oder anhört, der findet ein Gedankengefängnis an politischer Korrektheit, und ein Ausmaß an Beschimpfungen, Unterstellungen und Lügen, das auch die genannten drei großen totalitären Ideologien selten hervorbrachten.” Mit den “drei großen totalitären Ideologien” meinte er Maoismus, Nationalsozialismus und Islam. Eigentlich sprach die Totalitarismus-Theorie von zwei totalitären Ideologien, den Nationalsozialimus und den Stalinismus bzw. Kommunismus. Geschichtsrevisionistische Ideologien versuchen immer wieder den Nationalsozialismus zu relativieren, indem dieser mit dem Kommunismus gleichgestellt wird. Björn Höcke hatte vor wenigen Tagen genau diese Relativierung bezweckt, als er mit der Kranzniederlegung in Buchenwald implizit auch den Nazis gedenken wollte, die später im Speziallager umkamen. Der Leiter der Gedenkstätte wies dies mit deutlichen Worten zurück. Diese geschichtsrevisionistische Szene, zu der Höcke zählt, versucht wie sein AfD-Kollege Flocken einen neuen Totalitarismus an die Wand zu malen: die sogenannte politische Korrektheit. Dieses “Gedankengefängnis” sei genauso schlimm wie die “anderen Totalitarismen” Stalinismus und Nationalsozialismus, ja vielleicht sogar schlimmer. Zur sogenannten “politischen Korrektheit” gehört nicht nur, dass man “bestimmte Dinge” über den Nationalsozialismus nicht mehr sagen dürfe, sondern auch die Antidiskriminierungspolitik und Emanzipationsbewegung, vor allem der sogenannte “Gender-Wahn” bzw. “Genderismus” bzw. “Gendermainstream”.
Der Lehrer Björn Höcke sieht die Mission der AfD darin, diesen “dritten Totalitarismus”, die “politische Korrektheit”, “abzuräumen”, die “Geisterkrankheit Gendermainstream” aus den Schulen und Universitäten zu “vertreiben”. Emanzipatorische Bewegungen mit dem Nationalsozialismus auf eine Stufe zu stellen, diese als einen Totalitarismus darzustellen, der wie eine parasitäre Krankheit (“Mehltau”) den Keimzellen der Nation (klassische Familien als “natürliche” Geschlechterordnung) das Leben entziehe, ist bereits eine Verdrehung und Verharmlosung zugleich. Das Versprechen der “Vertreibung” emanzipatorischer Bestrebungen sollte man sich mit ausreichender Phantasie ausmalen, um erkennen zu können, auf welche historische Mission Björn Höcke sich begeben will. Was soll es heißen, wenn die Neue Rechte heute nicht mehr wie die Nazis vom “Krebsgeschwür” sprechen, von dem das organisch gewachsene Volk befreit werden solle, sondern vom “Mehltau”, welches zellulär den Organismus angreift, oder von der “Geisteskrankheit” der “Perversen”? Wie müssen wir uns das vorstellen, wenn Politische Korrektheit verschwörungsideologisch ein “Totalitarismus” sein soll, so schlimm wie Nationalsozialismus und Stalinismus oder gar schlimmer? Was heißt das für die angestrebte politische Praxis derjenigen, die diese Ideologie eines vermeintlichen “PC-Totalitarismus” als “Mehltau” nicht nur verbreiten, sondern geradezu einhämmern?
Postmarke (@Postmarke)
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