Dies ist keine rhetorische, sondern eine offene Frage.
Anlass dieser Frage ist das Auftreten von Björn Höcke in der AfD Thüringen sowie die Erklärung der Patriotischen Plattform der AfD vom 21.2.2015.
Björn Höcke ist Landessprecher der AfD Thüringen und Landesfraktionschef der AfD im Thüringer Landtag. Er gehört ideologisch zur jungkonservativen Neuen Rechten aus dem Umfeld des Magazin “Sezession” von Götz Kubitschek. Die jungkonservative Neue Rechte hatte sich aufgrund unterschiedlicher politischer Strategien vor ein paar Jahren gespalten. Dieter Stein, Chefredakteur der Jungen Freiheit, fährt eher einen realpolitischen Kurs, sein Wochenblatt ist zum informellen Parteiblatt der AfD geworden. Auseinandersetzungen wie zum Beispiel mit Jürgen Elsässer zeigen, dass er den Zusammenhalt der AfD, bislang noch repräsentiert durch Bernd Lucke, über ideologische Positionierungen stellt. Götz Kubitschek und Günther Scholdt stehen eher für die reine fundamentalistische Linie. Es nütze wenig, zu versuchen, aus dem rechten Meinungsghetto zu entkommen, teilte Günther Scholdt in Abgrenzung zu Dieter Stein vor zwei Jahren mit, als er die “historische Mission” der AfD kennzeichnete. Man werde von den Mainstream-Medien sowieso in die rechte Ecke gestellt, daher könne und müsse man Klartext sprechen. Entsprechend tritt Björn Höcke auf.
Die Differenzen der AfD zeigen sich auch gut im Verhältnis zu Pegida. Während Neoliberale wie Henkel komplett auf Distanz zu Pegida gegangen sind, symphatisieren Gauland (Brandenburg) und Petry (Sachsen) mit dem gemäßigten Pegida-Flügel um Oertel. Götz Kubitschek sprach hingegen auf der im weit rechts zu verortenden Pegida-Spektrum stehenden Legida-Demonstration und nach der Spaltung der Pegida in Dresden in einem gemäßigteren und einem rechteren Flügel bei letzterem.
Erstaunlicherweise hat das Ehepaar Götz Kubitschek und Ellen Kositza vor einiger Zeit einen Aufnahmeantrag bei der AfD gestellt. Ich denke, dass der Aufnahmeantrag mit Björn Höckes Wahl ins Landesparlament von Thüringen zu tun hat. Vorher hatte die “Sezession” von Götz Kubitschek einen deutlichen kritischeren Ton gegenüber der AfD gehabt. Natürlich wurde der Aufnahmeantrag von Götz Kubitschek und Ellen Kositza vom Bundesvorstand der AfD abgelehnt. Wie der Bundesvorstand dann allerdings begründen will, warum Götz Kubitschek kein Mitglied der AfD sein darf, Björn Höcke hingegen schon, wäre spannend. Denn ideologisch gibt es da keine Unterschiede.
Die Patriotische Plattform hat nun die Erklärung herausgegeben: “Die AfD wird entweder mit Götz Kubitschek sein oder sie wird gar nicht sein!” Dort heißt es:
“Mit völligem Unverständnis hat die Patriotische Plattform davon erfahren, daß der Bundesvorstand der AfD der Aufnahme von Götz Kubitschek und seiner Frau Ellen Kositza widersprochen und gemäß der neuen Satzung damit die Aufnahme widerrufen hat. Wir weisen diesen Akt als einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip und im Fall Kubitschek/Kositza als schwere Fehlentscheidung aufs Schärfste zurück.”
Die neue Satzung der AfD wurde auf dem Parteitag am 1. Februar in Bremen beschlossen und zwar so gerade eben mit 0,8 Prozentpunkten über der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Es wurde befürchtet, dass Bernd Lucke und der neoliberale Flügel die Satzungsänderung durchgesetzen wollte, um die neoliberale Strömung zu stärken und die Nationalkonservativen in der AfD zu schwächen. Genau dies scheint jetzt zu passieren.
Weiter heißt es in der Erklärung der Patriotischen Plattform der AfD:
“Niemand hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland mehr um die intellektuelle Aufrüstung des demokratischen Spektrums rechts von der CDU verdient gemacht als Götz Kubitschek und Ellen Kositza. Wir, die Patriotische Plattform, sahen in ihnen schon immer die natürlichen Verbündeten der AfD.”
Die Phrase “natürlicher Verbündeter der AfD” wurde bewusst gewählt. Bereits Gauland hatte von Pegida als “natürlichem Verbündeten der AfD” gesprochen. Nur ist Kubitschek nicht Pediga, sondern ein Ideologe am rechten Rand der inzwischen gespaltenen Pedgia-Bewegung. Die Patriotische Plattform wird noch deutlicher, sie stellt die Machtfrage:
“Götz Kubitschek hat aus der nachvollziehbaren Scheu des Intellektuellen gegenüber der Parteipolitik lange Zeit gezögert, der AfD beizutreten. Aus unserer Sicht war sein Aufnahmeantrag längst überfällig und eine angemessene Reaktion auf seinen Entschluß, nun doch die Mitgliedschaft zu beantragen, wäre gewesen, ihn zum Hauptprogrammverantwortlichen zu ernennen. Daß man nicht davor zurückschreckt, ihn derart zu brüskieren, ist eine Schande für den Bundesvorstand. Wir sind überzeugt: Mit dieser Frage steht die AfD am Scheideweg. Gelingt es den schalen Köpfen, deren politisches Denken sich in den Phrasen der Mainstreampresse abspielt, Götz Kubitschek aus der Partei herauszuhalten, dann werden all jene kritischen Geistern, die die AfD so dringend benötigt, die Partei verlassen. Das wäre ihr Ende.”
Sprecher der Patriotischen Plattform ist Hans-Thomas Tillschneider, der gleichzeitig im Landesvorstand der AfD Sachsen sitzt. Frauke Petry, die Sprecherin des Landesvorstandes Sachsen, hat zugleich als Bundesvorstand die Zurückweisung von Götz Kubitschek zu verantworten.
Ich gehe davon aus, dass Kubitschek und Kositza nicht in die AfD aufgenommen werden. Ob dies dann tatsächlich seitens der Patriotischen Plattform zum Aufruf führen wird, die AfD zu verlassen, wird sich zeigen. In dem Fall wäre Björn Höcke mit seiner Position isoliert. Er wird voraussichtlich als Landesfraktionschef in Thüringen nicht die AfD verlassen oder gar sein Mandat niederlegen, denn es ist fraglich, ob er aus verfassungsrechtlichen Gründen in den Schuldienst als Lehrer zurückkehren könnte.
Nach der Ankündigung müsste Tillschneider die AfD verlassen und die Patriotische Plattform sich auflösen. Wir werden sehen, was von solchen großspurigen Ankündigungen zu halten ist.
Bei dem Ganzen stellt sich aber noch eine andere Frage: Ab wann sollten ideologische Einstellungen als “faschistisch” bezeichnet werden? Ist mit Faschismus nur eine vergangene Ideologie aus dem 20. Jahrhunderts zu bezeichnen oder kann es auch heute noch faschistische Ideologien geben? Verfolgen nur die Menschen eine faschistische Ideologie, die sie selber als “faschisitsch” bezeichnen oder kann auch von Außen eine Ideologie als “faschistisch” benannt werden? Falls es möglich sein sollte, auch bestimmte aktuelle Ideologien von Außen als “faschistisch” zu kennzeichnen, welche Kritierien müsste eine solche Ideologie aufweisen? Und gibt es vielleicht gute Gründe, eine aktuelle faschistische Ideologie nicht als solche zu bezeichnen, weil dies den Ideolog_innen des Faschismus in die Hände spiele würde?
Nachtrag 23.02.2015
Eigentlich wäre zu erwarten, dass sich der Landessprecher der AfD aus Thüringen, Björn Höcke, für Kubitschek/ Kositza stark macht. Stattdessen meldete sich der Landessprecher der AfD aus Sachsen-Anhalt, André Ploggenburg, zu Wort. Es sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, Ploggenburg kenne Kubitschek persönlich: “Ich kenne ihn persönlich und weiß nicht, was man ihm vorwirft. Die Entscheidung in Berlin hat bei uns und in Nachbar-Landesverbänden für großen Unmut gesorgt.”
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agztse
Kempcheren,
den hier muss ich einfach mit dir sharen; ich weiss das du ein grosser Fan bist von der JF aber dieser Artikel…altes Haus…hier gehts um dich! Deine Lebensgeschichte! Ich darf zitieren:
“…Zum Schuldkomplex ist also ein durchgreifender geistiger Schwund getreten. Dazu hat ironischerweise die von den Achtundsechzigern angestoßene Akademisierung beigetragen. Junge Leute, die das Zeug zu fähigen Facharbeitern hätten, drängen seither in die geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten, wo das Niveau heruntergeschraubt wird, um die Absolventenquote nach oben zu stemmen.
Auf diese Weise, .., werden „Zehntausende Soziologen, Psychologen, Historiker usw. zu ‘Intellektuellen’ ausgebildet, während in den naturwissenschaftlichen, technischen und ingenieurswissenschaftlichen Fächern die Zahl der Studenten sinkt“. Ausgestattet mit Halbwissen, wertlosen Abschlüssen und Professionen, bilden sie ein Intelligenzproletariat und müssen, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, „sich immer neue gesellschaftliche Aufgaben ausdenken, mit denen sie den produktiven Sektor knebeln und Mittel entziehen“.
Na? Irre, hu? So treffend, Wahnsinn. Wollt ich dir nicht vorenthalten.
Gruss aus der Schweiz!