Die AfD kann manchmal auch sehr lustig sein. Ich habe Tränen gelacht, als ich gestern Abend Prof. Dr. Roland Vaubels “Ökonomische Theorie der Ehe” gelesen habe. Hier der Link: http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=14559 Ich musste mehrfach schauen, ob der Beitrag nicht doch am 1. April veröffentlicht wurde, im Englischen wird “April, April” mit AFD abgekürzt (“April Fool’s Day”). Nein. Vaubels ökonomische Theorie der Ehe ist bitterer Ernst und dadurch umso komischer, schließlich ist Vaubel Professor für Volkswirtschaftstheorie an der Universität Mannheim.
Roland Vaubel hatte jüngst in einem Buchbeitrag das Statement geäußert, Menschen mit einer sogenannten ^niedrigen^ sozialen Herkunft sollten besser nicht Volkswirtschaftlehre studieren. Deren verbale Logik reiche dafür nicht aus. Es würde der Volkswirtschaftslehre schaden, wenn diese Arbeiterkinder mit ihrer auf mathematischer Kompetenz reduzierten Auffassungsgabe sich volkswirtschaftlichen Problemen nähern sollten. Ich stelle mir gerade vor, wie Arbeiterkinder bei einem Vortrag von Herrn Vaubel in der ersten Reihe sitzen, zunächst eifrig mitschreiben, stocken, sich Fragezeichen über Fragezeichen in ihren Gesichtern abbilden und schließlich, nach einer Selbstvergewisserung beim Nachbarn, Tränen gelacht werden. Ähnlich muss es sich verhalten, wenn Vaubel sich an demokratietheoretische Erörertungen darüber wagt, wie in einer Demokratie “Leistungsträger” vor der “Tyrannei der Mehrheit” geschützt werden könnten. Man braucht schon eine Menge scholastischer Ergebenheit, um solchen theoretischen Erörterungen folgen zu können, ohne einen Lach- oder Wutanfall zu bekommen.
Vaubels Beitrag wurde umgehend im Blog der vom Arbeitgeberverband Gesamtmteall mitfinanzierten “Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft” verlinkt und veröffentlicht im Internetmagazin “Freie Welt”. Herausgeber der “Freien Welt” ist Sven von Storch, der auch im Impressum des Blogs “Demo für alle” als Verantwortlicher aufgeführt wird. “Demo für alle” ist orientiert am französichen Vorbild heterosexistischer Demonstrationen der gleichnamigen Organisation von Ludovine de la Rochère. In Deutschland wird zu Demonstrationen nach Stuttgart und Köln mobilisiert, um Bildungspläne zu verhindern, in denen angeblich eine “Frühsexualisierung” oder gar “homosexuelle Umerziehung” von Schüler*innen angestrebt werde. Auch hier mischt die AfD kräftig mit. Der Landessprecher der AfD in Baden-Württemberg Bernd Kölmel kritisiert in der neurechten Wochenzeitung “Junge Freiheit” die im Bildungsplan 2015 geforderte “Aktzeptanz sexueller Vielfalt” als “ideologische Umerziehungskampagne”. Er wird voraussichtlich im Mai 2014 ins Europaparlament einziehen, da er auf Platz 3 der AfD-Kandidat*innenliste steht und der AfD von Meinungsforschungsinstituten der Einzug von bis zu sechs Kandidat*innen zugetraut wird. Ebenfalls einziehen könnte Platz 4 der AfD-Liste, Beatrix von Storch, der Frau von Sven von Storch. Die AfD lehnt in ihrem Europawahlprogramm “Umerziehungsmaßnahmen wie ‘Gender Mainstreaming’ (= Aufhebung der Geschlechteridentitäten)” ab und fordert einen Stopp aller staatlich finanzierter Gender-Forschung. Ob dies auch für die “Gender-Forschung” von Roland Vaubel gilt?
Oder sind die Betrachtungen Roland Vaubels keine “Gender-Forschung”, sondern Volkswirtschaftslehre? In Vaubels Überlegungen tauchen sogenannte “clubtheoretische” Erörterungen auf. “Clubtheorie” ist eine moderne Erscheinung innerhalb der VWL. Familien und Staaten werden als “Clubs” verstanden – Vaubel zieht selbst den Vergleich zu Rotary- und Lyon-Clubs. Clubtheoretisch lassen sich dann nicht nur Ehen, sondern auch Kinder betrachten. So Holger Kolb 2007: “Mit »guter Qualität« sind jene Kinder gemeint, von denen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass ein gewisses Maß an Ressourcen wie Erziehung und Bildung in sie investiert wurde.” (H. Kolb: Migranten und (andere) Mitglieder. Personalentwicklung im Staat, Osnabrück 2007, S. 16) Je besser die “Qualität der Kinder”, um so besser sei die “Bevölkerungspolitik”. Familienpolitik müsse heute als Bevölkerungspolitik verstanden werden, führt Kolb aus: “Dabei ist der Begriff Bevölkerungspolitik in Deutschland durch den Missbrauch während der nationalsozialistischen Diktatur in hohem Maße diskreditiert. Daher hat sich in Deutschland als gängiger Politikbegriff für Maßnahmen zur Beeinflussung von Struktur und Entwicklung der Bevölkerung der Begriff ›Familienpolitik‹ durchgesetzt.” (ebd., S. 18) Ebenso führte die Bundessprecherin Frauke Petry in einem Interview mit der Jungen Freiheit während der Leipziger Buchmesse im März 2014 aus, dass man ja heute wieder von Bevölkerungspolitik sprechen dürfe und dass Familienpolitik in erster Linie Bevölkerungspolitik sei. Entsprechend fordere der Landesverband der AfD Sachsen die Ersetzung des Kindergeldes durch eine einkommensabhängige Kinderrente. Wenn gut verdienende Eltern mehr Kindergeld für ihre Kinder erhalten als schlecht verdienende Eltern, dann wird schließlich deren “Kinderqualität” noch besser – eine alte Forderung des Verbandes katholischer Unternehmer, dessen Geschäftsführer in den 1950er Jahren das Kinderrenten-Modell ersann. Kein Wunder, dass die AfD staatlich geförderte Gender-Studies verhindern möchte.
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Frank
Es gab in der Bundesrepublik Zeiten, in denen Äußerungen wie jene Vaubels gesellschaftlich geächtet waren. Heutzutage gibt es längst keinen Aufschrei mehr. Das ist ein Zeichen dafür, wie sich das gesamtgesellschaftliche Klima nach rechts verschoben hat (und widerlegt damit das Geschwätz vom angeblichen Linksruck in Deutschland).