Behrendt (AfD) rudert zurück: Realutopie soll nur Denkmodell sein

· Artikel (Klassismus)

Hermann Behrendt wurde zum Sprecher des Landesverbandes der AfD in NRW gewählt. In seinem im Dezember 2011 abgeschlossen Bauch „Mandative Demokratie“ spricht er sich für die Abschaffung der parlamentarischen Demokratie aus, um dann Kündigungsschutz und Streikrecht und andere soziale Errungenschaften besser abschaffen zu können. Ich habe hier einige krasse Zitate aus seiner Schrift herausgesucht.
Er behauptet nun in einem Kommentar im Blog von Alexander Dilger, in einer Replik auf den „unsäglichen Herrn Kemper“, ich hätte „böswillige Auslassungen“ in meinem Text. Dann behauptet er:

    „Ich habe dieses Demokratiemodell aus gutem Grund als Utopie bezeichnet. Das literarische Konstrukt einer Utopie hat den Sinn, den Blick auf die Realitäten zu schärfen. Darauf kam es mir an.
    Selbstverständlich haben alle in diesem Buch geäußerten Ideen nichts mit der AfD zu tun. Bei der AfD befinden wir uns in der harten Realität.“

Da Herr Behrendt mit dieser Aussage hinter den klügeren Auslassungen zur Wechselseitigkeit von politischer Aktion und konkreter Utopie zurückbleibt, habe ich mir erlaubt, ihm einen Kommentar zu schreiben. Die harte Realität der Parteiarbeit kann durchaus mit dem Ziel vereinbar sein, sukzessive (nach und nach) einen Gesellschaftsentwurf, eine Realutopie, zu verwirklichen.

Antwort an Hermann Behrendt:

Herr Behrendt, das, was Sie jetzt als „literarisches Konstrukt“ bezeichnen, haben Sie nicht „Utopie“ genannt, sondern „Realutopie“. Was „Realutopie“ im Gegensatz zu einer abstrakten Utopie meint, haben Sie ausführlich im letzten Kapitel dargestellt. Es ist sehr wohl ein Gesellschaftsentwurf, der realisiert werden soll. Auf S. 396 schreiben Sie:

    „Das hier vorgestellte Demokratiemodell muß nicht in einem Guß realisiert werden. Es ist im Grenzbereich zwischen Reformvorschlägen und Utopie angesiedelt. Eine Realisierung in einem Schritt wäre ein revolutionärer Akt. Die nötigen Verfassungsänderungen könnten aber auch sukzessive durchgesetzt werden.“

Entsprechendes schreiben Sie in der Einleitung auf Seite 4:

    „Ich werde zeigen, daß sich mein Traum realisieren läßt. […] Ist ein neues Demokratiemodell Utopie? Sicherlich ist es nicht realisierbar unter den gegenwärtigen politischen Machtmechanismen. Die etablierten Parteien profitieren von dem bestehenden System und werden es nie in Frage stellen. Bleibt also nur die Revolution? Köpfe müssen rollen für den Sieg? Nein, es gibt ja auch friedliche Revolutionen.“

Und Sie gehen auch darauf ein, dass eine Partei für die Umsetzung (sukzessive) ihrer Realutopie nützlich sein könnte:

    „Daß man mit einer neuen Partei neue Ziele durchsetzen kann, haben die Grünen bewiesen. Die Grünen haben als Straßenkämpfer begonnen und sich erst allmählich den zivilisierten Regeln unterworfen, um schließlich Teil der Etablierten zu werden. Sie haben in dieser Zeit ihr Hauptanliegen, den Umweltschutz, derart fest im Bewußtsein der Bürger verankern können, daß heute keine Partei mehr auf eine grüne Programmatik verzichten kann.“ (S. 394)

Dass man allerdings als Parteipolitiker dann anders agieren muss, stellen Sie auf Seite 5 fest:

    „Ich nehme für mich in Anspruch, meine für richtig erkannten Vorstellungen zu publizieren, weil ich auf niemanden Rücksicht zu nehmen brauche. Ich bin keiner Partei, keiner Lobby und keinem Sponsor verpflichtet.“

Kann es sein, dass Sie noch immer die Ziele der „Mandativen Demokratie“ verfolgen, nun aber als Landessprecher aus Rücksicht auf die Partei die „Mandative Demokratie“ als bloßes Denkmodell bezeichnen, welches lediglich den Blick auf die Realität schärfen soll? Das Buch als reines Denkmodell erscheint mir wenig glaubwürdig. Vielmehr scheint mir ihre „harte Realität“ der AfD-Parteipolitik dem Realen Ihrer Realutopie verpflichtet zu sein.
Dass Sie sukzessive vorgehen, verdeutlicht auch der Artikel der BürgerZeitung Mönchengladbach. Dort werden Sie folgendermaßen zitiert:

Mit freundlichen Grüßen
Andreas Kemper

Siehe auch:
AfD-NRW-Vorstandssprecher: Abschaffung der parlamentarischen Demokratie

4 Kommentare

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  1. Nazienkel

    Jaja – die Thesen^^ sind also nur ein Denkmodell. Egal ob These^^ oder Denkmodell““, egal ob Plan oder Absicht, Idee, Konzept – diese Bezeichnungen machen die Realutopie^^ dieses Herrn nicht besser. Das Vorhaben, die parlamentarische Demokratie abzuschaffen, soll also durch den Einstieg in selbige verwirklicht werden. Das ist ebenso inkongruent, wie beständig von Seiten der AfD-Spitze gegen „etablierte Politiker“ gehetzt wird, auf der anderen Seite wird verleugnet, Politiker zu sein, bzw., sein zu wollen. Man will also parlamentarischer Abgeordneter, sprich Politiker, werden, um das Feindbild des parlamentarischen Politikers abzuschaffen. Diese Feindbilder, welche bestäbndig konstruiert werden -vom System, von den linksgerichteten Medien, Verschwörungen der Umfrageinstitute, etabllierte Politiker- sollen natürlih nur von Machtgeilheit und eigenen Unzulänglichkeiten ablenken. Die Versuche, ganz im Stil der Neuen Rechten, Begrifflichkeiten zu verwischen, Standards anzugreifen und zu negieren, ergeben zusammen mit den konstruierten Feindbildern und den dauernden völkischen Blut-und-Boden-Bezügen, eine eindeutig rechtsextreme Partei. Wobei die AfD bzw. ihre Mitglieder, ja nicht einmal eine Partei sein möchte – denn Parteien gehören ja zum Feindbild.

    Tut – tut – tut – tut – tut

    Dies alles ist so verrückt, wie es in der latenten Aggression durchsichtig ist. Der Versuch elitärer alter -vorwiegend Männer- mit hohem Sendungsbewußtsein, die Gesellschaft gemäß ihrer kruden Vorstellungen zu verändern. Hierbei wird stets von der Freiheit der Rede gesprochen, der Begriff der Freiheit beständig als Worthülse gebraucht, um Ideen^^ der Abgrenzung und der Einschränkung näherzubringen, bzw. zu verwirklichen. Hierneben wird bestimmt ein fiktives Abgeordnetengehalt keine untergeordnete Rolle spielen – siehe den beurlaubten Lucke, welcher sich seinen uneigennützigen Einsatz ganz eigennützig (und basisdemokratisch?!?) entlohnen ließ.

    Nun kommt also wieder, wie gewohnt, der Versuch des Zurückruderns und Zurechtbiegens. Dann werden in Anfällen von Logorrhoe die lustigsten Begriffe gebildet, um die offensichtlichen Ausfälle nochmals zu erhöhen.

    Nun ja, warten wir auf weitere revolutionäre^^ Ausfälle nach Absurdistan…

  2. Frank

    Welche Rolle soll es eigentlich spielen, ob Behrendts Gesellschaftsentwurf der unmittelbaren politischen Praxis dienen soll oder eine Wunschvorstellung für´s Irgendwanneinmal ist? In beiden Fällen lässt sich doch festhalten, dass er sich eine autoritäre Gesellschaft mit unantastbaren sozialen Abhängigkeiten und starren Hierarchien wünscht. Eine demokratische Partei würde ihn deshalb nicht als Landesvorsitzenden tolerieren.

    In diesem Zusammenhang ist mir Alexander Dilger (ehem. LV-Vorsitzender von NRW) unverständlich, der zwar einräumt, Behrendts Vorstellungen seien z.T. nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, der aber seine Inthronisation dennoch begrüßt. Warum so inkonsequent? Pragmatismus, weil es der Partei schaden würde? Falsch verstandene Loyalität zu seiner Parteiführung? Sorge, von seinen innerparteilichen GegnerInnen weiter an den Rand gedrängt zu werden? Oder ist es mit der zur Schau getragenen Liberalität gar nicht so weit her?

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