Ab wann sollte von Faschismus gesprochen werden?

· Allgemein

Dies ist keine rhetorische, sondern eine offene Frage.

Anlass dieser Frage ist das Auftreten von Björn Höcke in der AfD Thüringen sowie die Erklärung der Patriotischen Plattform der AfD vom 21.2.2015.

Björn Höcke ist Landessprecher der AfD Thüringen und Landesfraktionschef der AfD im Thüringer Landtag. Er gehört ideologisch zur jungkonservativen Neuen Rechten aus dem Umfeld des Magazin „Sezession“ von Götz Kubitschek. Die jungkonservative Neue Rechte hatte sich aufgrund unterschiedlicher politischer Strategien vor ein paar Jahren gespalten. Dieter Stein, Chefredakteur der Jungen Freiheit, fährt eher einen realpolitischen Kurs, sein Wochenblatt ist zum informellen Parteiblatt der AfD geworden. Auseinandersetzungen wie zum Beispiel mit Jürgen Elsässer zeigen, dass er den Zusammenhalt der AfD, bislang noch repräsentiert durch Bernd Lucke, über ideologische Positionierungen stellt. Götz Kubitschek und Günther Scholdt stehen eher für die reine fundamentalistische Linie. Es nütze wenig, zu versuchen, aus dem rechten Meinungsghetto zu entkommen, teilte Günther Scholdt in Abgrenzung zu Dieter Stein vor zwei Jahren mit, als er die „historische Mission“ der AfD kennzeichnete. Man werde von den Mainstream-Medien sowieso in die rechte Ecke gestellt, daher könne und müsse man Klartext sprechen. Entsprechend tritt Björn Höcke auf.

Die Differenzen der AfD zeigen sich auch gut im Verhältnis zu Pegida. Während Neoliberale wie Henkel komplett auf Distanz zu Pegida gegangen sind, symphatisieren Gauland (Brandenburg) und Petry (Sachsen) mit dem gemäßigten Pegida-Flügel um Oertel. Götz Kubitschek sprach hingegen auf der im weit rechts zu verortenden Pegida-Spektrum stehenden Legida-Demonstration und nach der Spaltung der Pegida in Dresden in einem gemäßigteren und einem rechteren Flügel bei letzterem.

Erstaunlicherweise hat das Ehepaar Götz Kubitschek und Ellen Kositza vor einiger Zeit einen Aufnahmeantrag bei der AfD gestellt. Ich denke, dass der Aufnahmeantrag mit Björn Höckes Wahl ins Landesparlament von Thüringen zu tun hat. Vorher hatte die „Sezession“ von Götz Kubitschek einen deutlichen kritischeren Ton gegenüber der AfD gehabt. Natürlich wurde der Aufnahmeantrag von Götz Kubitschek und Ellen Kositza vom Bundesvorstand der AfD abgelehnt. Wie der Bundesvorstand dann allerdings begründen will, warum Götz Kubitschek kein Mitglied der AfD sein darf, Björn Höcke hingegen schon, wäre spannend. Denn ideologisch gibt es da keine Unterschiede.

Die Patriotische Plattform hat nun die Erklärung herausgegeben: „Die AfD wird entweder mit Götz Kubitschek sein oder sie wird gar nicht sein!“ Dort heißt es:

„Mit völligem Unverständnis hat die Patriotische Plattform davon erfahren, daß der Bundesvorstand der AfD der Aufnahme von Götz Kubitschek und seiner Frau Ellen Kositza widersprochen und gemäß der neuen Satzung damit die Aufnahme widerrufen hat. Wir weisen diesen Akt als einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip und im Fall Kubitschek/Kositza als schwere Fehlentscheidung aufs Schärfste zurück.“

Die neue Satzung der AfD wurde auf dem Parteitag am 1. Februar in Bremen beschlossen und zwar so gerade eben mit 0,8 Prozentpunkten über der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Es wurde befürchtet, dass Bernd Lucke und der neoliberale Flügel die Satzungsänderung durchgesetzen wollte, um die neoliberale Strömung zu stärken und die Nationalkonservativen in der AfD zu schwächen. Genau dies scheint jetzt zu passieren.

Weiter heißt es in der Erklärung der Patriotischen Plattform der AfD:

„Niemand hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland mehr um die intellektuelle Aufrüstung des demokratischen Spektrums rechts von der CDU verdient gemacht als Götz Kubitschek und Ellen Kositza. Wir, die Patriotische Plattform, sahen in ihnen schon immer die natürlichen Verbündeten der AfD.“

Die Phrase „natürlicher Verbündeter der AfD“ wurde bewusst gewählt. Bereits Gauland hatte von Pegida als „natürlichem Verbündeten der AfD“ gesprochen. Nur ist Kubitschek nicht Pediga, sondern ein Ideologe am rechten Rand der inzwischen gespaltenen Pedgia-Bewegung. Die Patriotische Plattform wird noch deutlicher, sie stellt die Machtfrage:

„Götz Kubitschek hat aus der nachvollziehbaren Scheu des Intellektuellen gegenüber der Parteipolitik lange Zeit gezögert, der AfD beizutreten. Aus unserer Sicht war sein Aufnahmeantrag längst überfällig und eine angemessene Reaktion auf seinen Entschluß, nun doch die Mitgliedschaft zu beantragen, wäre gewesen, ihn zum Hauptprogrammverantwortlichen zu ernennen. Daß man nicht davor zurückschreckt, ihn derart zu brüskieren, ist eine Schande für den Bundesvorstand. Wir sind überzeugt: Mit dieser Frage steht die AfD am Scheideweg. Gelingt es den schalen Köpfen, deren politisches Denken sich in den Phrasen der Mainstreampresse abspielt, Götz Kubitschek aus der Partei herauszuhalten, dann werden all jene kritischen Geistern, die die AfD so dringend benötigt, die Partei verlassen. Das wäre ihr Ende.“

Sprecher der Patriotischen Plattform ist Hans-Thomas Tillschneider, der gleichzeitig im Landesvorstand der AfD Sachsen sitzt. Frauke Petry, die Sprecherin des Landesvorstandes Sachsen, hat zugleich als Bundesvorstand die Zurückweisung von Götz Kubitschek zu verantworten.

Ich gehe davon aus, dass Kubitschek und Kositza nicht in die AfD aufgenommen werden. Ob dies dann tatsächlich seitens der Patriotischen Plattform zum Aufruf führen wird, die AfD zu verlassen, wird sich zeigen. In dem Fall wäre Björn Höcke mit seiner Position isoliert. Er wird voraussichtlich als Landesfraktionschef in Thüringen nicht die AfD verlassen oder gar sein Mandat niederlegen, denn es ist fraglich, ob er aus verfassungsrechtlichen Gründen in den Schuldienst als Lehrer zurückkehren könnte.

Nach der Ankündigung müsste Tillschneider die AfD verlassen und die Patriotische Plattform sich auflösen. Wir werden sehen, was von solchen großspurigen Ankündigungen zu halten ist.

Bei dem Ganzen stellt sich aber noch eine andere Frage: Ab wann sollten ideologische Einstellungen als „faschistisch“ bezeichnet werden? Ist mit Faschismus nur eine vergangene Ideologie aus dem 20. Jahrhunderts zu bezeichnen oder kann es auch heute noch faschistische Ideologien geben? Verfolgen nur die Menschen eine faschistische Ideologie, die sie selber als „faschisitsch“ bezeichnen oder kann auch von Außen eine Ideologie als „faschistisch“ benannt werden? Falls es möglich sein sollte, auch bestimmte aktuelle Ideologien von Außen als „faschistisch“ zu kennzeichnen, welche Kritierien müsste eine solche Ideologie aufweisen? Und gibt es vielleicht gute Gründe, eine aktuelle faschistische Ideologie nicht als solche zu bezeichnen, weil dies den Ideolog_innen des Faschismus in die Hände spiele würde?

Nachtrag 23.02.2015

Eigentlich wäre zu erwarten, dass sich der Landessprecher der AfD aus Thüringen, Björn Höcke, für Kubitschek/ Kositza stark macht. Stattdessen meldete sich der Landessprecher der AfD aus Sachsen-Anhalt, André Ploggenburg, zu Wort. Es sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, Ploggenburg kenne Kubitschek persönlich: „Ich kenne ihn persönlich und weiß nicht, was man ihm vorwirft. Die Entscheidung in Berlin hat bei uns und in Nachbar-Landesverbänden für großen Unmut gesorgt.“

Weitere Artikel zu Björn Höcke:

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16 Kommentare

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  1. agztse

    Kempcheren,

    den hier muss ich einfach mit dir sharen; ich weiss das du ein grosser Fan bist von der JF aber dieser Artikel…altes Haus…hier gehts um dich! Deine Lebensgeschichte! Ich darf zitieren:

    „…Zum Schuldkomplex ist also ein durchgreifender geistiger Schwund getreten. Dazu hat ironischerweise die von den Achtundsechzigern angestoßene Akademisierung beigetragen. Junge Leute, die das Zeug zu fähigen Facharbeitern hätten, drängen seither in die geisteswissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten, wo das Niveau heruntergeschraubt wird, um die Absolventenquote nach oben zu stemmen.

    Auf diese Weise, .., werden „Zehntausende Soziologen, Psychologen, Historiker usw. zu ‘Intellektuellen’ ausgebildet, während in den naturwissenschaftlichen, technischen und ingenieurswissenschaftlichen Fächern die Zahl der Studenten sinkt“. Ausgestattet mit Halbwissen, wertlosen Abschlüssen und Professionen, bilden sie ein Intelligenzproletariat und müssen, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, „sich immer neue gesellschaftliche Aufgaben ausdenken, mit denen sie den produktiven Sektor knebeln und Mittel entziehen“.

    Na? Irre, hu? So treffend, Wahnsinn. Wollt ich dir nicht vorenthalten.

    Gruss aus der Schweiz!

    • Andreas Kemper

      Ausnahmsweise lass ich mal einen von deinen ständigen Kommentierungen durchgehen. Ist ja diesmal auch nicht ganz so abwertend wie sonst. Und natürlich meint Thorsten Hinz unter anderem mich. Er hatte bereits unter dem Pseudonym „Doris Neujahr“ eine ganze Seite nur zu meiner Person geschrieben. Weil damals sein Kumpel Dr. Dr. Volkmar Weiss wegen Account-Missbrauch aus der Wikipedia rausgeflogen ist und ich diese Schummeleien aufgedeckt hatte. Es gibt nur wenige, die derart hasserfüllt auf die sogenannten ^unteren^ Klassen sind. 2006, als Beatrix Herzogin von Oldenburg, heutige Beatrix von Storch, weitgehend erfolglos blieb mit ihrem Ansinnen, dass doch dem ostelbischen Junkertum der über Jahrhunderte zusammengeraubte und von der Sowjetunion damals verstaatlichte Großgrundbesitz zurückgegeben werden solle, und zwar an die Nachfahren der adligen Großgrundbesitzer, und daraufhin die Zivile Koalition gründete, um den vermeintlich nicht existierenden Rechtsstaat in Deutschland einzuführen, da sprang ihr bereits dieser Hinz bei und ereiferte sich: „Es galt, diesem Herkunftsstolz die räumliche und ökonomische Wiederverankerung zu verweigern, hätte sie doch einen potentiellen Nukleus der Unabhängigkeit gegenüber dem unersättlichen Staat bilden können.“ Dabei hätte es „Führungspersönlichkeiten gebraucht, die keinen schnellen Gewinn realisieren wollten, sondern die am Gedeihen, an der Neukultivierung und -strukturierung dieser ländlichen Räume interessiert waren, weil ihr Herz an ihnen hängt.“ Also ostelbisches Junkertum. Um seinen eigenen rückwärtsgewandten und demokratiefeindlichen Elitismus zu verschleiern, zitiert er Sebastian Haffner, der der aristokratischen Klasse des Militäradels die Attribute „Geschlossenheit, Stil, Herrschaftswillen, Durchschlagskraft, Selbstsicherheit, Selbstdisziplin, Moral“ bescheinigt. Da ließen sich noch einige weniger schöne Eigenschaften hinzufügen. Zumindest wäre es – was Hinz wohlweislich verzweigt – für die Wirtschaft eben nicht gut gewesen, wenn diese anachronistische Klasse weiter über erhebliche Ländereien verfügt hätte: „Man braucht kein Marxist zu sein um zu sehen, dass ein moderner Industriestaat nicht von einer Klasse gefuehrt werden kann, deren wirtschaftliche Grundlage verschuldete Gueter sind. Eine herrschende Klasse, die zugleich schon fast ein Anachronismus ist – das kann nicht gut gehen.“ Natürlich nicht. Solche Leute wie Hinz sind ja auch keine neoliberalen Volkswirtschaftler, denen man mit guten Willem noch unterstellen könnte, das Wirtschaftswachstum letztlich auch im Sinne der Ärmsten zu mehren. Hinz will die gute alte Hierarchie, die es gab, bevor die Matrosen von Kiel meuterten und mit der Novemberrevolution die Demokratie eingeführt wurde. Natürlich mag der solche Leute wie mich nicht.

  2. agztse

    „Es gibt nur wenige, die derart hasserfüllt auf die sogenannten ^unteren^ Klassen sind“.

    Aha. Das ist reflexartig, bei euch, anderen Hass zu unterstellen. Hinz spricht davon das aus den verfehlten Intellektuellen gute Facharbeiter hätten werden können die einen sinnvollen Beitrag zur Gesellschaft hätten leisten können. Den „Hass“ auf die „unteren Klassen“, den du bei anderen festzustellen meinst, den scheinst du selbst in dir zu tragen. Und die Verstaatlichung des Grundbesitzes in der DDR…ach Gottchen, du bist im Westen aufgewachsen gell? Dann muss ich dir als alter DDR Bürger die schlechte Nachricht überbringen: die von dir anscheinend so hochgeschätzte Diktatur des Proletariats hatte in der Praxis jämmerlich versagt. Nun könnte man freilich „klassistisch“ argumentieren das aus „unten“ halt doch nie „oben“ warden kann auch wenn die unten sich zeitweise nach oben stellen, aber das führt zu weit.

    • Andreas Kemper

      Ja sicher, aus den armen, von Alt-68ern zum Studium verführten Arbeiterkindern hätten „gute Facharbeiter“ werden können, aufgrund ihrer ererbten praktischen Begabung 😉 . Und wenn man den Nachfahren des ostelbischen Junkertums wieder die Ländereien zurückgegeben hätte, am besten noch mit weiteren Vorrechten, dann wäre aufgrund ihrer wahrscheinlich auch ererbten Intelligenz (hierzu hatte Hinz ebenfalls einen entsprechenden Artikel verfasst) die Ex-DDR heute zu einer blühenden Landschaft geworden. So einen Müll poste ich gerne. Er spricht für sich selber. Und es glaubt einem ja keiner, dass es solche demokratiefeindlichen Reaktionäre wirklich noch gibt.

  3. Hartwig Schultze

    Natürlich hätte ich, als Gegner der AfD, gewünscht, dass die Neue Rechte dort stärker wird. Um so schneller werden wir den Laden wieder los. Auch die REPs haben mal als CSU-Abspaltung angefangen und sind durch „falsche Freunde“ (Nazi-Entristen) schließlich ganz im Abseits gelandet. Ich hoffe, das passiert auf Dauer auch mit der AfD.

    Zur Bezeichnung „faschistisch“ meine ich aber, dass sie nicht überstrapaziert werden sollte. Historisch war damit Mussolini gemeint, nicht der völkische Nationalismus der Nationalsozialisten, auch nicht ihre Lebensraumideologie oder ihr eliminatorischer Antisemitismus. „Faschisten“ nannte Stalin (und später die Kommunisten allgemein) die Nationalsozialisten, auch um die zahllosen Gemeinsamkeiten zwischen Nationalsozialismus und Sowjet-Sozialismus zu verschleiern. Lest mal Popper oder Ahrend!

    Was den Faschismus ausmacht, ist Führerideologie, Sozialpopulismus (Volksgemeinschaftsideologie), Gewalteneinheit (Mussolini: „Totalitarismus bedeutet alles mit dem Staat, nichts gegen den Staat, nichts außerhalb des Staates.“), Expansionismus, Kulturchauvinismus, leichter bis mittlerer Antisemitismus und Rassismus, Ablehnung von Humanismus, Liberalismus, Internationalismus, Pazifismus. Primo de Rivera Junior fällt unter Faschismus, nicht aber die Nationalsozialisten.

    Auch Sezession fällt nicht darunter. Das sind Rechtsintellektuelle mit tiefem Misstrauen gegen unseren Staat. Die verkörpern teilweise eine völkische Ideologie, auf jeden Fall Nationalismus, aber sie sind nicht antidemokratisch. Gewalteneinheit, einen Führer / Duce / Caudillo / Woschd / Großen Vorsitzenden / Bruder Nr.1 wollen die nicht an der Spitze. Auf Volkssouveränität, Gewaltenteilung und Rechtsstaat legen die großen Wert.

    Die sehen sich eher in der Tradition von Edgar Jung, Stauffenberg und Osswald Spengler. Die haben weder mit Hitler, noch mit Mussolini oder Franco zu tun.

    Setzt euch lieber intellektuell mit denen auseinander. Die sind es wert, denn ihre Ideen, wenn es auch nicht meine sind, sind auf jeden Fall intelligenter als die meisten ihrer Gegner (Gegenstücke) von links. Nennt ihr sie Nazis ist das eine Verleumdung, nennt ihr sie in Stalins Duktus „Faschisten“, disqualifiziert ihr euch selbst.

    Telipinu

    • Andreas Kemper

      Hallo Telipinu,

      nach deiner beschreibenden Definition müsste aber doch der Nationalsozialismus auch unter Faschismus fallen.

      Und Jung („Die Herrschaft der Minderwertigen“), Stauffenberg (bis 1943 Karriere im NS-Regime) und auch Spengler waren demokratiefeindlich.

      Der Begriff „Faschismus“ macht für mich Sinn hinsichtlich der Frage, wer mit wem politisch zusammenarbeitet. Hat die Ideologie bestimmter Teile der AfD eine größere Verwandtschaft zum Faschismus, zum Konservativismus oder zum Liberalismus? Würden eher – wenn sich die Machtfrage stellt – Bündnisse mit faschistischen, konservativen oder liberalen Gruppierungen eingegangen werden? Als Beispiel: Würde die AfD, wenn sie 40% der Stimmen hätte, und die FDP (Liberalismus), die CDU (Konservativismus), die NPD (Faschismus) jeweils 20%, eher mit der FDP, der CDU oder der NPD koalieren? Henkel wahrscheinlich mit der FDP, Gauland eher mit der CDU und bei Höcke und Kubitschek würde ich denken, eher mit den Nationaldemokraten. Jedenfalls habe ich bei den Aussagen von Höcke bislang keine großartigen Unterschiede zu NPD-Thesen gefunden.

  4. leftwingedbastard

    Das wichtigste zum Faschismus ist hier noch nicht erwähnt: Faschisten wollen den Kapitalismus ohne Klassengegensätze, d.h. ohne die Widersprüche von Arbeit und Kapital, was natürlich nicht bedeutet, dass den Kapitalen das Profitstreben verboten wird. Wer den arbeitenden Volksmassen die Lebensgrundlage zu entziehen droht, oder den Volksfrieden stört, soll weg: Hitler ließ Gewerkschaften verbieten, asoziale Elemente (heute würde man sagen: Sozialhilfeempfänger) ins Zuchthaus einweisen, und allzu raffgierige Kapitale wurden verstaatlicht (gegen Kompensation natürlich, wenn der Eigentümer arisch war). Hitlers „Mein Kampf“ zu lesen, ist lohnenswert. Hier mal ein Zitat:

    „So sicher ein Arbeiter wider den Geist einer wirklichen Volksgemeinschaft sündigt, wenn er ohne Rücksicht auf das gemeinsame Wohl und den Bestand der nationalen Wirtschaft, gestützt auf seine Macht, erpresserisch Forderungen stellt, so sehr bricht auch ein Unternehmer diese Gemeinschaft, wenn er durch unmenschliche und ausbeuterische Art seiner Betriebsführung die nationale Arbeitskraft missbraucht und aus ihrem Schweiße Millionen erwuchert. Er hat kein Recht sich als national zu bezeichnen, kein Recht von einer Volksgemeinschaft zu sprechen, sondern er ist ein egoistischer Lump, der durch das Hereintragen sozialen Unfriedens spätere Kämpfe provoziert, die so der Nation zum Schaden gereichen.“ (Adolf Hitler, Mein Kampf, München 1937, S.374)

    • Andreas Kemper

      Ja. Das ist ein wichtiger Hinweis. In dem Buch von Paul Engländer „Freie Wirtschaft und organische Wirtschaft“ von 1934 heißt es:

      „Der neue Staat fügt Arbeiter und Unternehmer organisch in die Gesamtwirtschaft ein, bringt sie im Arbeitsprozess, politisch und in der Freizeit einander menschlich so nahe, schafft die Voraussetzungen dazu durch die verschiedenen Berufs- und politischen Verbände so nachdrücklich, daß die Gegensätze sich mit der Zeit allmählich abschleifen oder sich doch so überbrücken lassen, dass es niemals mehr zu Wirtschaftskämpfen wegen des Lohnes oder Arbeitsbedingungen kommen wird. Die Deutsche Arbeitsfront ist der Rahmen, in dem sich Unternehmer und Arbeiter der Stirn und der Faust zusammenfinden. Hier soll das gesamte schaffende Volk als Einheit im nationalsozialistischen Staat zusammengefasst werden.“ (ebd.: 19f.)

      Zur Idee der Gegenüberstellung von „organischer Marktwirtschaft“ (Höcke) und „degenerierter Volkswirtschaft“ (Höcke) gehört die „Volksgemeinschaft“, das „gesunde Volksempfinden“ und die „Arbeitsfront“.

  5. Incredible Rainer

    Zu Kubitscheks Mitgliedsantrag zur alternativen Partei sei zu ergänzen, dass er am 1. April gestellt wurde. Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Seine Zeit würde ich nur ungern mit Parteiarbeit verschwendet sehen.

    Kubitscheks Reden bei der X-Gida sind übrigens Meisterwerke. Schade, dass sie hier nicht weiter behandelt werden.

    • Andreas Kemper

      Seine Reden sind faschistoid. Und Ellen Kositza, seine Lebensgefährtin, arbeitet aktiv in der AfD Sachsen-Anhalt mit. Kubitschek nimmt bewusst diese spielerische Position zur AfD ein, übrigens bewusst auch zum Begriff der Neuen Rechten. So kann er sich einerseits sowohl aus der Perspektive der AfD als auch der Neuen Rechten äußern, zum anderen aber immer augenzwinkernd behaupten, dass sei nur ein Spiel. Kubitschek versucht sich so der Angreifbarkeit zu entziehen.

  6. Incredible Rainer

    Soweit ich als Sezessions-Abonnent weiß, arbeiten weder Kubitschek noch Kositza für die AfD. Ich finde das gut, dann sonst wäre weniger Zeit für aufklärerische Arbeit verfügbar. In dem Verfallszustand und in dem Hass auf alles Eigene, in dem wir tagtäglich schwimmen, hilft keine Partei. Aber schaden wird sie auch nicht.

    Aber zum Thema: Können Sie in den grandiosen Reden von Leipzig und Dresden tatsächlich faschistoide Alleinstellungsmerkmale finden? Das wären dann welche? Ich denke nicht, dass das ohne eine Verdrehung von Begriffseigenschaften möglich wäre. Aber wie auch immer, Kubitschek ist kein Liberaler, das sagt er über sich selbst. Nur aus „nicht liberal“ gleich „faschistoid“ zu schlussfolgern, ist schlichtweg Populismus.

    • Andreas Kemper

      Kositza hat am letzten Parteitag der AfD in Sachsen-Anhalt aktiv teilgenommen. Das war nach ihrem Rauswurf aus der AfD durch den Bundesvorstand, den Poggenburg (Landeschef AfD Sachsen-Anhalt) nicht akzeptiert hat.

      Sie haben meine Studie für die RLS Thüringen gelesen? http://www.th.rosalux.de/publication/41527/andreas-kemper-die-neurotische-phase-ueberwinden-in-der-wir-uns-seit-siebzig-jahren-befinde.html Tendenziell dürfte die Ideologie Kubitscheks in die gleiche Richtung gehen wie die Höckes, daher benutzte ich die Vokabel faschistoid.

      • Incredible Rainer

        Ich sehe in dieser Art und Form der Beurteilung bedenkliche Schwächen. Kubitschek als „Ideologen“ abzutun, ist ob seiner Bandbreite und generell seiner fehlenden Schieflage so gewagt wie haltlos. Seine Reden jedoch als „faschistoid“ abzukanzeln, während dabei die Verknüpfung zweier Akteure federführend zu sein scheint, und das wahrscheinlich in Unkenntnis des Inhalts, ist bar jeder ernsthaften Analyse.

        Aber letztlich muss jeder seinem eigenen Anspruch genügen.

        Wie auch immer die Konstellation des Ehepaars vom Rittergut bzgl. der alternativen Partei nun ist (hier steht Aussage gegen Aussage): Ich würde mir wünschen, dass die beiden weiterhin hauptsächlich publizieren. Das Wort ist prägender als jede Partei es sein kann.

      • Andreas Kemper

        Kositza ist auf dem Video vom Parteitag gut zu erkennen. Ich glaube nicht, dass sie bestreitet, da gewesen zu sein.

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