In diesem Artikel wird die Entwicklung einer neuen rechts-neoliberalen Partei skizziert, Vorläufer und Kontinuitäten, und deren Ziele vorgestellt. Kommentiert wird diese Entwicklung abschließend mit der Überlegung, ob es einen Zusammenhang zwischen essentialisierenden, verdinglichenden Sichtweisen gibt: Menschen, die an Geld glauben, glauben auch an Vererbung von Intelligenz und die Überlegenheit des weißen deutschen Mannes.
Neue rechte Partei: Alternative für Deutschland
Am Donnerstag (28.02.2013) teilte Bernd Lucke von der Wahllaternative 2013 mit, dass im Laufe der nächsten Woche der Sprecherrat der WA2013 die Gründung einer neuen Partei mit dem Titel Alternative für Deutschland bekannt gibt. Zu den vorrangigen Ziele heißt es:
Die Alternative für Deutschland wird die Auflösung des Euros zugunsten nationaler Währungen oder kleinerer Währungsverbünde fordern. Sie wird sich für ein Ende der milliardenschweren Rettungsschirme und gegen eine europäische Transferunion aussprechen. Sie wird sich auch für eine Verschlankung und Entbürokratisierung der Europäischen Union durch Rückverlagerung von Kompetenzen auf die nationale Ebene einsetzen.
Es wird dann auch eine entsprechende Website zur Verfügung stehen. Am 13. oder 14. April soll es voraussichtlich einen Gründungsparteitag in Berlin geben. Bereits am vergangenen Wochenende berichteten FAZ, die WELT und die BILD ausführlich über die in Aussicht gestellte rechte Partei. Der Sprecherrat der Partei besteht aus Konrad Adam, Bernd Lucke und Dagmar Metzger. Hier hatte ich versehentlich behauptet, Dagmar Metzger sei die Sozialdemokratin, die damals die Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin in Hessen verhindert habe. Das ist falsch und ich möchte mich bei Dagmar Metzger aus Hessen für diese Verwechslung entschuldigen. Tatsächlich handelt es sich um eine Dagmar Metzger aus München, wobei ich zunächst nicht verstand, warum eine unbekannte Journalistin einer Marketingagentur die Stelle eines ehemaligen Staatssekretärs (Alexander Gauland) einnimmt. Tatsächlich handelt es sich bei der Marketingagentur Wordstatt um eine Organisation, die mit den Münchner Wirtschaftsgesprächen seit zwei Jahren die Gründung der Alternative für Deutschland zumindest indirekt mitvorbereitet hat. Hierzu weitere Infos: Wordstatt und Alternative für Deutschland
Zur Geschichte der Alternative für Deutschland
Anti-Euro: Bund Freier Bürger
Es gab bereits in den 1990er Jahren eine Partei gegen den Euro in Deutschland. Sie nannte sich Bund freier Bürger. Zu den Parteimitgliedern zählten Joachim Starbatty und Karl Albrecht Schachtschneider, die jetzt ebenfalls zu den Hauptzeichnern der Wahlalternative 2013 gehören. Obschon die Partei eine Spende von 6,8 Millionen DM vom Milliardär August von Finck erhielt, scheiterte die Partei kläglich. Als die Partei deutlich rechts wurde, stiegen Prominente wie Schachtschneider und Starbatty aus. Die Kontinuitäten vom Bund freier Bürger zur Wahlalternative 2013 bzw. Alternative für Deutschland lassen sich auf drei Ebenen zeigen:
- Personelle Kontinuitäten: Schachtschneider, Starbatty, Bandulet
- Lokale Parteikontinuitäten: Beispielsweise ging der lokale Frankfurter Ableger des BfB in die Liste Bürgerbündnis für Frankfurt über, die dann später in Freie Wähler Frankfurt umbenannt wurden. Wolfgang Hübner steht hier für eine lokale Kontinuität. Im Juni 2010 sprach Schachtschneider während einer Veranstaltung der Freien Wähler Frankfurt. Aufgrund der Rechtslastigkeit Hübners bestrebt der Vorsitzende der Bundespartei der FW, Hubert Aiwanger, den Parteiausschluss von Hübner. Spätestens das könnte ihn in die Arme der AfD treiben, wenn sie ihn denn wollen.
- Lobbyismus: Vor etwas mehr als zehn Jahren gründete sich der BürgerKonvent. Dieser Konvent erhielt von August von Finck, der einige Jahre zuvor bereits die Partei Bund freier Bürger mit 6,8 Millionen DM unterstützte, für die Kampagne “Deutschland ist mehr als jetzt” 6 Millionen Euro. Inzwischen ist es still geworden um den BürgerKonvent. Im Vorstand des BürgerKonvents ist Beatrix von Storch, die gleichzeitig zur Hauptzeichnerin der Wahlalternative 2013 zählt. Beatrix von Storch und ihr Mann Sven von Storch haben das Freie-Welt-Netzwerk gegründet mit den Internet-Auftritten: Freie-Welt.net, Zivile Koalition e.V., Institut für Strategische Studien Berlin, Familien-Schutz.de, Der Rechtsstaat.de, Initiative Echte Reformen, Bürgerrecht Direkte Demokratie und AbgeordnetenCheck.de (nicht zu verwechseln mit AbgeordnetenWatch).
Direkt-Wahlen: Hans-Olaf Henkel und die Freien Wähler
Neben der Kontinuität der Anti-Euro-Bewegung ist das Engagement von Hans-Olaf Henkel zu nennen. Thomas Wagner analysierte in seinem lesenswerten Buch “Demokratie als Mogelpackung” Deutschlands “sanften Weg in den Bonapartismus”. Hans-Olaf Henkel und mit ihm das Honoratioren-Netzwerk Konvent für Deutschland tritt für Direkte Demokratie ein. Es ist bemerkenswert, dass aktuell sogar die rechte FPÖ in Österreich mit Direkter Demokratie Wahlkampf macht. Tatsächlich verbirgt sich hinter diesen Forderungen nach Direkter Demokratie ein Populismus, der nichts mit emanzipatorischer Politik zu tun hat. Dies wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass die faschistische Sehnsucht nach dem “Starken Mann” auch mit Direktwahlen des Bundespräsidenten verbunden werden kann. Ein Statement beim Konvent für Deutschland sprach sich dann auch für die Erweiterung der Rechte des Bundespräsidenten aus, wenn man sich schon die Mühe macht, ihn direkt wählen zu lassen. Mit diesem Bonapartismus sollen die “Quasselstube” des Parlamentes und die Befindlichkeiten der “Politikerkaste” umgangen werden. Mit Basisdemokratie hat diese Form der Direktwahlen nichts gemein.
Aber Henkel fokussierte nicht nur das Thema Direkte Demokratie, sondern auch eine Kritik am Euro. 2009 war er bereits Gastredner beim Bundestreffen der Freien Wähler und gab dort die Themen Direkte Demokratie und Kritik an der Euro-Politik vor. Er setzte die FDP unter Druck, er würde austreten, wenn sie nicht der eurokritischen Strategie, wie sie beispielsweise Frank Schäffler vom Liberalen Aufbruch verkörpert, folgten. Tatsächlich verkündete Hans-Olaf Henkel auf einer gemeinsamen Presse-Konferenz mit dem Freien-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, dass er fortan die Freien Wähler statt der FDP wählen werde. 2011 stellte Henkel in drei Großauftritten in Münster, Berlin und Hamburg seine Eurokritik vor.
Henkel gehört außerdem – wie viele andere aus dem Konvent für Deutschland – zu den Unterstützern Thilo Sarrazins. Sarrazin betonte allerdings in einem Focus-Interview: “Ich glaube, dass es besser ist, wenn die eurokritischen Kräfte – Sarrazin in der SPD, Gauweiler in der Union, Frank Schäffler in der FDP – dort wirken, wo sie auch verankert sind.”
Die adeligen “Bürger”: Vom Rechtsstaat zur Zivilen Koalititon
Die unter anderem von Henkel mit dem Thema Anti-ESM und Direkte Wahlen aus den Wähler-Initiativen geschmiedete Bundespartei Die Freien Wähler trat – repräsentiert vom Vorsitzenden Hubert Aiwanger – häufiger mit der Vorsitzenden der Zivilen Koalition, Beatrix von Storch, auf. Bereits im September 2011 sprachen sich während einer Veranstaltung der Zivilen Koalition in Berlin Hans-Olaf Henkel, Beatrix von Storch und Karl Albrecht Schachtschneider für die Gründung einer neuen Partei aus, wenn die FDP sich nicht gegen den Euro-Rettungsschirm entscheide.
Entstanden ist die Zivile Koalition aus der Intiative Studenten für den Rechsstaat, die seit 1996 die Rückgabe von Adelsgütern aus der Ex-DDR fordern. Sehr früh berichtete schon die extrem rechte Junge Freiheit über das Ansinnen des damals noch studierenden Adels. Inzwischen haben Beatrix und Sven von Storch mindestens ein gutes Dutzend bezahlter Mitarbeiter_innen. Angeblich werden sie über Kleinspenden finanziert. Ob darüber hinaus eine Finanzierung durch August von Finck vorliegt, lässt sich bislang nicht bestätigen. Lediglich die Adresse der Zivilen Koalition stimmt mit der der PR-Management-Abteilung von Mövenpick Germany überein. Mövenpick Germany gehört zum August von Finck-Imperium, vielleicht erinnert sich noch jemand an die FDP-Spendenaffäre im Zusammenhang mit der Hotelsteuer-Senkung.
Die Zivile Koalition ist extrem christlich-antifeministisch orientiert.
Bündnis Bürgerwille und die Ökonomie-Professoren
Gegründet und vorangeschoben wurde die Wahlalternative 2013 von Bernd Lucke, der jetzt auch die Gründung der Partei Alternative für Deutschland bekannt gab. Bernd Lucke ist bekannt für seine Appelle von Wirtschaftsprofessoren. So war er einer von drei Initiatoren des Hamburger Appells von 2005, in dem dringend von Lohnerhöhungen abgeraten wurde. “Die Konsolidierung der Staatsfinanzen erfordert weitreichende Einschnitte in allen Bereichen der öffentlichen Ausgaben. Davon können auch die sozialen Sicherungssysteme nicht ausgenommen bleiben.”, heißt es dort. Dem kurz vor der Bundestagswahl 2005 publizierten Appell schlossen sich 243 Wirtschaftsprofessoren an. Er wurde durch eine Anzeigenserie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft bekannt gemacht.
Bernd Lucke gründete auch das Plenum der Ökonomen, dessen Gründungsaufruf nach eigenen Angaben 327 “Professoren für Volkswirtschaftslehre” unterschrieben haben. Initiiert hatte er auch die Internet-Plattform Bündnis Bürgerwille. Diese versteht sich als eurokritisch und bezieht sich auf die Bogenberger Erklärung, die wiederum vor Lohnerhöhungen in Deutschland warnt. Zu den Erst- und Hauptzeichner des Bündnis Bürgerwille zählten u. a. Hans-Olaf Henkel und Beatrix von Storch. Mitinitiator war Bernhard Seitz, der ebenfalls das Aktionsbündnis Direkte Demokratie initiierte. Unterstützt wurde die Initiative vom Bund der Steuerzahler Deutschland.
Viele der Erst- und Hauptzeichner des Bündnis Bürgerwille fanden sich dann im Sommer 2012 auch als Hauptzeichner der Wahlalternative 2013 wieder. In dem von Konrad Adam, Alexander Gauland und Bernd Lucke unterzeichneten Aufruf wandten sie sich gegen das Eintreten Deutschland für fremde Schulden, für das Aufgeben des einheitlichen Euro-Währungsgebietes und gegen die Abtretung von nationalen Hoheitsrechten. Als befreundete Organisationen traten Bündnis Bürgerwille, Aktionsbündnis Direkte Demokratie und die Internetplattform Stop ESM auf. Stop ESM hat interessanterweise nicht nur wie zu erwarten Gruppierungen mit im Boot wie die marktlibertäre PdV, die Freien Wähler Bayern und die WA2013 als parteiorientiere Initiativen, und rechte Magazine wie Deutschland.net oder IK-News, sondern auch verschiedene Initiativen mit dem Schwerpunkt Gold-Währung. Auch hier kann wieder frei assoziiert werden, ob es Zusammenhänge zu August von Finck gibt, der vor kurzem einen Millionenbetrag für das Recht auf den Namen Degussa Goldhandel ausgab und seit November 2011 Niederlassungen in München, Frankfurt, Stuttgart, Köln, Hamburg, Berlin und Zürich für die Degussa Goldhandel GmbH gründete.
Die Wahlalternative 2013 beschloss, die Freien Wähler während der Landtagswahl in Niedersachsens und voraussichtlich auch während der Bundestatswahl zu unterstützen. Es sei keine eigene Partei geplant, hieß es damals noch. Im Gegenzug wurde erwartet, dass Kandidaten aus der WA2013 in den anstehenden Wahlkämpfen gut plaziert werden. Tatsächlich erhielt Bernd Lucke einen vorderen Platz für die Niedersachsenwahl im Januar 2013.
Von der WA2013 zur Alternative für Deutschland
Ende des Jahre 2012 wurde auf der Facebook-Seite der Wahlalternative2013 immer offenen der Kurs Aiwangers kritisiert, der eine Koalition mit Rot-Grün nach der Landtagswahl in Bayern 2013 nicht ausschloss. Es kam zu einer internen Abstimmung, wo sich eine sehr große Mehrheit für die Gründung einer eigenen Partei aussprach. Aus den Diskussionen ließ sich schließen, dass den Befürwortern einer eigenen Partei Aiwanger zu sozialdemokratisch erschien. Eine Rolle mag auch der Konflikt der Freien-Wähler-Spitze mit dem extrem rechten Wolfgang Hübner aus Frankfurt a.M. gespielt haben. Der Sprecherrat kündigte an, mit einer Entscheidung nach der Landtagswahl zu warten. Es wurde aber bereits damit begonnen, in allen Bundesländern eigene Strukturen aufzubauen.
Die Wahl in Niedersachsen war wie zuvor die Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW ein Desaster. Die Freien Wähler hätten zumindest einen Achtungserfolg von vier Prozent gebraucht, um in den Medien wahrgenommen zu werden, sie erhielten aber nur 1,1 Prozent der Stimmen. Nach der Wahl kündigte der Sprecherrat die Gründung einer eigenen Partei an. Am 20.1. hätten in Hannover die Landesbeauftragten und der Sprecherrat getagt und Konsequenzen aus der Wahl gezogen. Auf der Facebook-Seite heißt es:
“Wir wollen das euroskeptische Lager nicht zersplittern, sondern im Gegenteil zusammenführen. Deshalb haben wir nicht nur den Freien Wählern, sondern auch der Partei der Vernunft (PDV), dem Aktionsbündnis Direkte Demokratie (ADD) und, stellvertretend für andere freie Wählergruppen, der Dortmunder Unabhängigen Wählervereinigung (DUW), eine gemeinsame Parteigründung vorgeschlagen. (Andere Initiativen wie Bündnis Bürgerwille, der Bund der Steuerzahler oder die Zivile Koalition kommen wegen ihrer Gemeinnützigkeit nicht als Gründungspartner in Frage). Nach unserem Vorschlag würden wechselseitig die Möglichkeit von Doppelmitgliedschaften geschaffen werden, sodass die anderen Parteien bestehen bleiben können. Sie würden aber auf einen eigenen Wahlantritt bei der Bundestagswahl verzichten und statt dessen die neue Partei unterstützen. Bundestagskandidaturen wären für alle Mitglieder der neuen Partei möglich, egal, welcher Partei sie zuvor angehört haben. Programmatisch soll sich die neue Partei auf die Schnittmenge der inhaltlichen Vorstellungen der beteiligten Gruppen konzentrieren.”
Trotz eines Appells vom Aktionsbündnis Direkte Demokratie an die Freien Wähler und die PdV, sich der Initiative anzuschließen, lehnten PdV und Freie Wähler ab. Es ist unklar, wie einzelne Freie Wähler-Listen reagieren werden, die sich oftmals gerade erst einheitlich in Freie Wähler umbenannt haben. Für die Frankfurter Liste der FW beispielsweise wäre ein Wechsel attraktiv, da Hübner in der Bundespartei der FW nicht geduldet wird. Und für Gabriele Pauli, die dem Weimarer Kreis der Freien Wähler nahesteht, könnte die Alternative für Deutschland auch ein spannendes Feld sein. Noch hat sich Hans-Olaf Henkel nicht gemeldet, allerdings ist er schon länger nicht mehr offen mit Aiwanger aufgetreten. Stattdessen verlas er vor wenigen Monaten noch eine Laudatio auf Thilo Sarrazin, von dem Aiwanger sich distanziert hatte.
Allerdings versucht die Alternative für Deutschland sich von deutlich rassistischen Parteien zu distanzieren. Kurz vor Bekanntgabe der Gründung der Alternative für Deutschland wurde jemand, der sich zu deutlich rechts positioniert hatte, aller Ämter enthoben. Die Facebook-Likes gingen von 2223 auf 2220 herunter, stiegen dann aber am Wochenende nach dem FAZ-Artikel auf 3668 an. Wir haben es bei der Alternative für Deutschland nicht mit einer dumpfen Anti-Islam-Partei wie den Pro-Parteien zu tun. Es gibt auch keine Annäherung an die FPÖ, wie damals beim Bund Freier Bürger. Eine Gemeinsamkeit wird eher mit dem Team Stronach aus Österreich gesucht, zu dessen Expertenrat nach Auskunft seines Leiters, Thomas Bachheimers (Europapräsident des Goldstandard-Instituts), u.a. Wilhelm Hankel und Hans-Olaf Henkel gehören. Das Team Stronach wurde vom österreichischen Milliardär Frank Stronach im September 2012 gegründet und erreichte in der ersten Wahl am 3. März 2013 in Kärnten 11,3% der Stimmen.
Was will die Alternative für Deutschland?
Als Partei kann die Alternative für Deutschland nicht nur den Euro kritisieren, sie hat tatsächlich weitere Eckpunkte. Ich zitiere kurz aus einem Entwurf für einen Programm aus dem WA2013-Wiki einige Eckpunkte, die mir besonders aufgestoßen sind.
Auszüge aus einem Entwurf zum Parteiprogramm
Datum: 24.1.2013
Version: 0.7
Autoren: WA2013 Sprecherrat
Dokumentart: Parteiprogramm
Dokumentbeschreibung: Kurze Fassung des Programms einer aus der WA 2013 zu gründenden politischen Partei (im Folgenden WA-Partei)
Status: Entwurf
Steuern:
„Für eine alleinstehende Person bleiben in diesem Modell die ersten 10.000 Euro steuerfrei. Bei einem Einkommen von 20.000 Euro beträgt der durchschnittliche Steuersatz 8.75%. Mit wachsendem Einkommen steigt er langsam bis auf maximal knapp 25%, weil jeder zusätzliche Verdienst konstant mit 25% versteuert wird“
Arbeitslosigkeit:
„Zur Integration von gering Qualifizierten in den Arbeitsmarkt fordert die WA-Partei eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes und die Subventionierung der Weiterbildung niedrig Qualifizierter nach Erhalt eines Arbeitsplatzes.“
Bürgerliche “Kindspauschale” statt Kindergeld:
„Z. B. könnte der Mutter unmittelbar nach der Geburt eines jeden Kindes eine Kindspauschale von 25.000 Euro ausgezahlt werden – finanziert durch den Wegfall des monatlichen Kindergeldes in den ersten ca. 10 Jahren. Für junge Paare wäre dies ein erheblicher Anreiz zur Familiengründung und auch größere Familien mit drei oder vier Kindern fänden dies finanziell attraktiv. Aus naheliegenden Gründen wäre die sofortige Auszahlungsmöglichkeit aber auf Mütter zu beschränken, die in geordneten Verhältnissen leben: Antragsberechtigt wären z. B. nur Mütter, die ein bestimmtes Mindestalter erreicht haben, über eine abgeschlossene Berufsausbildung und ein festes Arbeitsverhältnis verfügen etc.“
Höhere Renten für “Kinderreiche”:
„Die WA-Partei setzt sich für eine stärkere Umverteilung zwischen kinderlosen und kinderreichen Rentenversicherten im Umlageverfahren ein, um dem Aufziehen von Kindern die notwendige Anerkennung auszudrücken und die demographische Lücke, die die Nachhaltigkeit des Umlageverfahrens beeinträchtigt, zu schließen.“
Mehr Eigenleistung im Krankenversichungs-System:
„Das Krankenversicherungssystem leider aber auch unter einer mangelhaften Prävention, einem Mangel an Pönalisierung [Pönal=Vertragsstrafe] gesundheitsschädlichen Verhaltens (und Belohnung gesundheitsfördernden Verhaltens) und daran, dass zahlreiche Leistungen erbracht werden, für die keine medizinische Wirksamkeit nachgewiesen ist. Deswegen müssen die Prävention signifikant gestärkt werden, die Beitragshöhe zu den Krankenversicherungen in Abhängigkeit vom Gesundheitsverhalten korrigiert und die Leistungen streng auf medizinisch wirksame Maßnahmen beschränkt werden.“
Mehr elternabhängige Bildung:
„Derzeit erhalten, wie die PISA-Studien gezeigt haben, nur Kinder aus bildungsstarken Familien in Deutschland eine adäquate Bildung, nur ihr geistiges Potential wird voll zur Entfaltung gebracht. Dieser Befund wird oft als ein Versagen des Staates interpretiert. Richtig ist aber, dass hier in erster Linie ein Versagen vieler Familien vorliegt.
Erziehung und geistige Prägung von Kindern ist Recht und Pflicht ihrer Eltern. Der Staat unterstützt dies durch Schulen, Universitäten und andere Ausbildungsangebote. Aber gerade im Bereich der schulischen Bildung muss der Staat auch darauf vertrauen können, dass seine Bildungsanstrengungen von den Elternhäusern unterstützt werden. […]
Die WA-Partei befürwortet deswegen eine Rückkehr zum Prinzip der familiären Bildungsverantwortung. Die Einführung von Bildungsgutscheinen und ähnlichen Anreizsystemen ist ein sinnvoller Schritt zur Förderung des familiären Bildungsbeitrages“
Der Inhalt ist verfügbar unter der Lizenz Creative Commons „Namensnennung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen“. http://wiki.wa2013.de/wiki/index.php?title=Programmentwurf&diff=812&oldid=810
Geld-Essentialismus
Abschließend möchte ich eine Bewertung vornehmen, die ich unter dem Titel “Geld-Essentialismus” fasse. Ich beschäftige mich in der Regel nicht mit Parteigründungen und bin Soziologe und kein Parteienforscher. Mein Thema ist eher Diskriminierungsforschung. In diesem Forschungsbereich spielt der Begriff “Essentialismus” eine Rolle.
Mit dem Begriff “Essentialismus” werden in der Regel Bilder von Schwarzen und Weißen, von Frauen und Männern kritisiert, die unveränderliche Unterschiede suggerieren. So gibt es religiös begründete Zuschreibungen, dass Frauen nun mal für Reproduktionsarbeiten besser geeignet seien als Männer, diese hingegen von Natur aus als ex-prähistorische Jäger eher für öffentliche Arbeiten geeignet seien. Essentialismen können aber auch biologistisch begründet werden, wenn beispielsweise behauptet wird, dass sich Intelligenz rassen- und klassenspezifisch vererbt. Essentialismus heißt also so viel, dass es essentielle gruppenbezogene Unterschiede zwischen den Menschen gebe, die sich nicht durch politische Maßnahmen auflösen lassen.
Beim Verfolgen der Diskussionen fielen mir diverse Essentialismen auf. Beispielsweise wurde die Laudatio von Hans-Olaf Henkel an Thilo Sarrazin auf der Facebook-Seite der WA2013 gepostet. Sarrazin vertritt bildungspolitische Essentialismen, er spricht von genetisch bedingten Bildungsunfähigkeiten bestimmter Bevölkerungspopulationen. Diese essentialistischen Sichtweisen beziehen sich oftmals nicht nur auf eine einzelne Gruppe, sondern auf mehrere. In der Forschung zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wird von einem Syndrom der Menschenfeindlichkeit gesprochen: Rassist_innen seien oftmals auch behindertenfeindlich, sexistisch und werteten Arbeitslose ab. Ein Grund hierfür kann sein, dass Menschen nicht nur nach einem bestimmtes Gruppenmerkmal stereotypisiert werden, sondern dass davon ausgegangen wird, dass diese Merkmale sich nicht ändern können und dürfen. Wer diese ehernen Gesetze nicht anerkennt, ist ein unverbesserlicher “Gutmensch”, der eine “Ideologie” über die Tatsachen stülpt.
Mir fiel auf, dass diese Denkweise sich auch auf Geld übertragen lässt. Geld wird ebenfalls essentialisiert. Sehr anschaulich wird die schon alte Kritik an diesen Geld-Essentialismus im folgenden Video zum Ausdruck gebracht:
Geld ist eine Soziale Wirklichkeit. Geld wird aber von Geld-Essentialisten als etwas Echtes, etwas Individuelles betrachtet, als eigentümliches. Dieser Essentialismus basiert auf einem grundlegenden Widerspruch unserer Gesellschaft, dass nämlich die Produktion arbeitsteilig ist, die Aneignung der Produktion aber individuell durch die wenigen Produktionsmittelbesitzer geschieht.
Steuern werden von diesen Geld-Essentialisten dann auch als soziale Eingriffe betrachtet, statt zu realisieren, dass Geld ein Steuerungssystem ist, in dem Steuern integriert sind. “Ich habe Geld verdient und jetzt wird mir was durch die Steuern weggenommen” ist eine geld-essentialistische Sichtweise. Das vermeintlich verdiente Geld wurde nicht verdient, verdient wurde nur das, was abzüglich der Steuern übrigblieb. Aus diesem Geld-Essentialismus ergeben sich dann auch die für Essentialismen typischen Verstöße gegen den Kategorischen Imperativ: Kaufhausdiebstähle oder Ohne-Ticket-Fahren in der U-Bahn werden stärker sanktioniert als Steuerbetrug in Millionenhöhe.
An der Euro-Kritik lässt sich zeigen, wie der Geld-Essentialismus sich mit dem Essentialismus der Nation verbindet: die DM – hart wie Krupp-Stahl.
Dieser Geld-Essentialismus mag auch eine Grundlage sein für die immer wiederkehrende Forderung nach dem Gold-Standard, das heißt, nationale Währungen abhängig zu machen von Gold. Der Gold-Standard wirkt wie die vor kurzem beschlossene Schuldenbremse, nur noch “härter”. Und Gold-Standard wie Schuldenbremse werden als Effekt den gesellschaftlichen Fortschritt bremsen, da vor allem im Bereich der Bildung gekürzt wird. Und auch im Bereich der Bildung zeigen sich wieder Parallelen zum Geld-Essentialismus: so wie das elterliche Besitzvermögen als eigentümlich betrachtet wird (dies ist das ursprüngliche Grundanliegen des Ehepaares Storchs gewesen: sich die Besitztümer der adeligen Vorfahren wieder anzueignen), so wird auch Bildung zum Eltern-Kind-Eigentum erklärt und mit Begabungs- und Intelligenzvererbungstheorien (Sarrazin) rationalisiert.
Das Krasse an den Essentialismen ist: sie machen sich gegenseitig scheinbar plausibel.
Nachtrag 6.03.2013:
- In Günter Lachmanns Online-Magazin ist ein Beitrag eines Oeconomicus erschienen, der tiefe Einblicke in die AfD verspricht. Tatsächlich sind diese “Einblicke” mit Einschränkungen wie “dem Vernehmen nach” kommentiert. Interessanter sind einige Verweise auf die Hintergründe einzelner AfD-Unterstützer. Günter Lachmann hatte als WELT-Redakteur die Wahlalternative 2013 bekannt gemacht und hat aktuell in der WELT zudem einen Artikel für die AfD verfasst. Oeconomicus: Tiefe Einblicke in die politische “Alternative für Deutschland”.
- Der Freie-Wähler-Rechtsausleger Wolfgang Hübner aus Frankfurt a.M. gibt dem FW-Vorsitzenden Aiwanger die alleinige Verantwortung für das Scheitern der Zusammenarbeit mit der AfD. Er plädiert dafür, dass sich die AfD “den Themen Einwanderung/Islam, innere Sicherheit und Familie” öffne. Indirekt bittet Hübner damit um eine Einladung in die AfD, die bislang kein Interesse daran hat, Euroskepsis mit Anti-Islamismus zu vermengen. Das Abschöpfen dieses IP/PRO-Potentials ist genauso verlockend wie die Gefahr besteht, damit als eindeutig rassistisch bezeichnet zu werden. Hübner ruft seine eigene Partei zu einem Verzicht auf die Bundestagwahlen zugunsten der Unterstützung der AfD auf. Wolfgang Hübner: Chancen und Probleme einer Parteineugründung
- Beatrix von Storch begrüßt das Programm der AfD. Vorsichtig, aber deutlich positioniert sie sich für die AfD und gegen die FW: “Die neue Partei formuliert in vielen Punkten etwas klarer als die Freien Wähler, bezeichnet zum Beispiel die Ursachen der Euro-Krise klar: den Einheits-Euro.” Es gelte jetzt die Entwicklung der AfD genau zu prüfen: “Die Zivile Koalition wird die Kandidaten in den Wahlkreisen unterstützen, die am vielversprechendsten und am entschlossensten die Themen und Interessen der Bürger vertreten.” Beatrix von Storch begrüßt das Programm der angekündigten Partei »Alternative für Deutschland«
Nachtrag 07.03.2013:
- Die Website ist erschienen: http://www.alternativefuer.de/ Das Netzwerk der Zivilen Koalition scheint nicht mit dabei zu sein, der Name von Beatrix von Storch findet sich allerdings noch bei den Hauptzeichner_innen der Wahlalternative 2013. Hier scheint die Zivile Koalition eher auf eine Aufgabenteilung zu setzen. Auch das Wahlprogramm liegt vor. Erschreckend sind hier unter anderem die Aussagen zur Bildungspolitik “Wir fordern, Bildung als Kernaufgabe der Familie zu fördern.” Das dürfte das rückschrittlichste und klassistischte Bildungsprogramm aller Parteien seien.
- An der Auftaktveranstaltung in Oberursel nehmen folgende Personen teil:
• Prof. emeritus Joachim Starbatty, Universität Tübingen
• Beatrix von Storch, Rechtsanwältin, Zivile Koalition, Berlin
• Dr. Alexander Gauland, Staatssekretär a. D., Potsdam
• Dr. Konrad Adam, Publizist, Oberursel
Nachtrag 08.03.2013:
- Nach dem Auftritt von Bernd Lucke bei Maybritt Illner einer halben Stunde Exklusiv-Chat beim ZDF scheint die BILD bei ihrem Kurs zu bleiben: Euro-Austritt: Ja – Alternative für Deutschland? Nein! Ohne die Unterstützung der BILD wird es wahrscheinlich keine rechtspopulistische Partei in den Bundestag schaffen. Allerdings passt es auch nicht zur BILD gegen einen rechtspopulistischen Strom zu schwimmen. In den BILD-Kommentaren fehlen Beiträge, die sich positiv auf die AfD beziehen. Sie wurden wahrscheinlich gelöscht. Apropos Zensur: Auch meine kritischen Hinweise auf der Facebook-Seite der AfD wurden komplett gelöscht: Angst vor Kritik. Es war auch nicht möglich, auf die “Analyse” meines Artikels einzugehen. Auch dieser Beitrag wurde von der Facebook-Seite der AfD entfernt, auf der ich mittlerweile gesperrt bin.
- Hubert Aiwanger meldete sich nun auch in der Stuttgarter Zeitung für die Freien Wähler zu Wort. Ein Zusammengehen mit der Alternative für Deutschland schloss er bei der Bundestagswahl nicht aus, die Türen seien nicht zugeschlagen. Neben der Kritik am Euro fordern auch die Freien Wähler eine Steuersenkung für die Reichen (Kirchhoff-Modell).
Nachtrag 10.03.2013:
- Der Focus hat Emnid mit einer Umfrage zum Thema Anti-Euro-Partei beauftragt. 26% würden eine Anit-Euro-Partei wählen. Ähnliche Umfragen gab es allerdings schon vor einem halben Jahr. Für die Landtagswahl in Niedersachsen wurden daraus dann doch nur 1,1%.
- Ich habe hier einen Überblick über die Medienberichte zur Alternative für Deutschland erstellt. Die BILD scheint als konservative Zeitung keine Propaganda für die AfD machen zu wollen. Sie stärken eher die rechten Kräften in den etablierten Parteien: Ohne BILD keine “Alternative für Deutschland”.
Nachtrag 11.03.2013:
- An der Auftaktveranstaltung der “Alternative für Deutschland” in Oberursel nehmen nach eigenen Angaben 1.200 Interessierte teil. Auch ZDF und FAZ sollen vor Ort sein. Bericht vom Hessischen Rundfunk: Eurokritiker wollen Partei gründen
- Die Tagesschau interviewt den Rechtspopulismus-Experten Alexander Häusler: Experte zu Anti-Euro-Populisten: “Die Gefahr liegt in der Verrohung der Politik”
Nachtrag 20.03.2013:
- Hinter der Alternative für Deutschland scheinen die Interessen der organisierten Familienunternehmer zu stecken. Letztes Jahr gab es einen Streit zwischen dem BDI und den Familienunternehmern. CDU/CSU/FDP vertreten die Interessen des BDI – die organisierten Familienunternehmer schaffen sich nun eine eigene Partei: Wer steckt hinter der Alternative für Deutschland?
Nachtrag 22.03.2013:
- Stephan Werhahn, der designierte Spitzenkandidat für die Freien Wähler ruft auf seiner Facebook-Seite dazu auf, dass sich die eurokritischen Parteien vereinigen sollen: “Auch Bernd Lucke musste gestern erfahren, dass Euro-Kritiker nicht erwünscht sind. Seitens der Blockparteien soll kein Austausch und Umdenken stattfinden. Alternativen interessieren nicht. Der Wille des Volkes interessiert nicht. Die Eurokritischen Kräfte müssen sich vereinen! Durch Bündelung schaffen wir den Einzug in den Bundestag!”
Nachtrag 27.03.2013:
- Werhahn – designierter Spitzenkandidat bei den Freien Wählern – ist wieder in der CDU. Die Freien Wähler hatten ihm Kontakte zu Rechtsextremisten in Düsseldorf vorgeworfen und seine Nominierung verzögert. Warum er nicht zur Alternative für Deutschland gewechselt ist, bleibt erst einmal unklar. Die Facebook-Seite der AfD hat gerade ein Foto der Jungen Freiheit zur Alternative für Deutschland hochgeladen. Enger kann ein Schulterschluss kaum sein. Auf Protesten äußerten sie, die JF sei eine “konservative Wochenzeitung”. Vielleicht wollte Werhahn seinen Ruf nicht noch weiter demontieren. Aber dass die CDU ihn wieder aufgenommen hat, verwundert schon.
Kenji
Es gibt aber auch eine Sache, bei der Parteien wie diese in eine offene Wunde fassen: Die größte Schwierigkeit des Euro ist das Unvermögen die Währung der spezifischen, nationalen Wirtschaftskraft anzupassen. Dadurch wird das System instabil und es wurde bislang kein Instrument gefunden, dass das Kräfteungleichgewicht abfedern könnte. Eurobonds wären war ein Instrument, das in diese Richtung gehen könnte, aber keiner will mehr Zinsen für das wirtschaftliche Versagen der anderen zahlen. Vor allem nicht Deutschland, die Zinsen zahlen, die sogar unter der jährlichen Inflation liegen.
Unterschiedliche Währungen können dafür sorgen, dass jeder für sich allein auf seinem Wirtschafts-Trampolin springen kann, anstatt an andere angekettet zu sein.
Ich bin nicht für die Aufgabe des Euro, aber die Argumente oben sind auch nicht aus der Luft gegriffen. Und mit diesem Angstfaktor könnte diese Partei punkten.