AfD, Entartung, VWL

Wenn Bernd Lucke von Entartung, Degeneration oder Bodensatz spricht, dann ist er nicht unbedingt ein Nazi.

Sondern er bedient sich einer Sprache, die nicht vom vergesellschaftetem Menschen ausgeht, sondern von einer bestimmten Nationalökonomie, einer bestimmten Volkswirtschaftslehre, also von der Nation oder dem Volk, in dem der Mensch dehumanisiert wird und nur noch als Humankapital interessant ist. In dieser Abstraktion vom konkreten Menschen wird dann der Mensch zur Chimäre, zum Homo Ökonomikus, einer bürgerlichen Abstraktion, in der sich vor allem weiße, deutsche gut situierte Männer mit ihren nichtreflektierten Privilegien und Deklassierungsängsten wiederfinden. Es wird von der Qualität der Bevölkerung ausgegangen und von dort geschlussfolgert auf die ^höhere^ und ^mindere^ Qualität der Kinder, gemessen durch die „Investitionsbereitschaft“ der Eltern in ihre Kinder. Ein biologistisches Pendant findet diese Denkweise in der Bevölkerungsbiologie, dessen braunen Aufguss uns vor kurzem noch Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ präsentierte. Allein der Titel ist verdächtig, auch hier ist der Ausgangspunkt nicht der Mensch und seine Grundrechte, sondern der Staat als handelndes Subjekt. Der Mensch ist in dieser Denkweise nur noch Erscheinungsform und Vererbungsfaktor einer Population mit einem mehr oder weniger wertvollem Genpool. Dieses Denken wird in der Wirtschaftskrise stärker, weil die Deklassierungsängste im Bürgertum zunehmen. Sie finden ihren Niederschlag nicht nur an Nazisprache erinnernde Formulierungen („Transferbabys“ (Gunnar Heinsohn), „Warum soll ich für sie zahlen?“ (Konrad Adam)), sondern auch in der gesetzlich zementierten Umstellung der Familienpolitik, die sich nicht mehr an Grundrechten orientiert (sozialkompensatorisches Erziehungsgeld), sondern an Fragen der Bevölkerungsqualität (einkommensprivilegierendes Elterngeld). Familienpolitik als Bevölkerungspolitik ist schlecht kaschiert, wenn sie sich mit forstwirtschaftlichem Vokabular selbst kennzeichnet (nachhaltige Familienpolitik).

Lucke ist daher nicht unbedingt ein Nazi, wenn er von „Entartung“, „Degenerationserscheinung“ oder „Bodensatz“ spricht. Sondern er geht nur einfach nicht vom konkreten vergesellschafteten Menschen und seinen Grundrechten aus, sondern von der halluzinierten „Art“, die „entarten“, „degenerieren“ kann, also Ausschuss, Bodensatz (und so weiter, neoliberale VWLer mögen das Vokabular ergänzen) erzeugt.

Diese Denkweise allerdings war sehr wohl eine Grundlage für den Nationalsozialismus, welcher nämlich die Nationalökonomie nur auf die Spitze trieb und dem auf Konrad Adams Frage „Warum soll ich für sie zahlen?“ schon damals die Antwort T4 und Zwangsterilisierung einfiel. Man kann natürlich auch die Variante des Volkswirtschaftlers Malthus wählen, es gibt da viele Möglichkeiten „das Problem der Unterschicht“ „auswachsen“ (Sarrazin) zu lassen. Nur weil man von „Entartung“ spricht, ist man eben noch kein Nazi, man ist aber einer dehumanisierenden Denkweise verpflichtet. Und diese Denkweise hat entsprechend auch Probleme mit der Demokratie. Gibt man „Degeneration der Demokratie“ als Suchbegriff bei Google ein, landet man bei einem Artikel der Blauen Narzisse, einer Internetplattform der Neuen Rechten, die ihre Probleme mit der Demokratie in aller Deutlichkeit zeigen. Gibt man die Formulierung „Degeneration der Demokratie“ bei der Bücher-Suche von Google ein, wird hingegen ein Text von Friedrich August von Hayek angezeigt, der als Ausweg der „Degeneration der Demokratie“ ein Zweikammer-System empfiehlt. Die gesetzgebende Kammer soll für 15 Jahre gewählt werden – „15 Jahre“ entspricht im Strafvollzug die Formulierung „lebenslänglich“. Es geht der AfD um eine Reform der politischen Entscheidungsstruktur und zwar zentral, noch vor der Kritik am Euro, wie Alexander Dilger, der Landesvorsitzende der AfD gestern noch einmal explizit auf seiner Homepage mitteilte.

Entschuldigt werden soll Bernd Luckes Rede von Entartung unter anderem mit einem Verweis auf Helmut Schmidts Aussage: „Man kann aus Deutschland mit immerhin einer tausendjährigen Geschichte seit Otto I. nicht nachträglich einen Schmelztiegel machen. Weder aus Frankreich noch aus England, noch aus Deutschland dürfen sie Einwanderungsländer machen. Das ertragen Gesellschaften nicht. Dann entartet die Gesellschaft!“ Ob denn Helmut Schmidt auch ein Nazi sei fragt bspw. der Account der Facebook-Seite Anonymous (will aber gar keine Antwort, sondern löscht sofort kritische Beiträge und sperrt die Kritiker*innen aus). Auch diese Aussage ist nicht unbedingt nationalsozialistisch, sie entstammt aber der Ideologie der Rassenhygiene. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass einige Rassenhygieniker ein sozialdemokratisches Parteibuch hatten, wenngleich die Rassenhygiene im Nationalliberalismus – der gerade in der AfD neu aufersteht – adäquater vertreten war und eine Variante entwickelte, die dann im Nationalsozialismus zur Praxis überging. Gerade die fehlende Aufarbeitung des Kapitels Rassenhygiene in der Geschichte der Sozialdemokratie trägt ja mit dazu bei, dass der Rassist Thilo Sarrazin von Sozialdemokraten wie Helmut Schmidt und Klaus von Dohnanyi verteidigt wird oder dass von der Sozialdemokratin Renate Schmidt die Idee der Familienpolitik als Forstwirtschaft (Nachhaltigkeit) entwickelt wurde. Keine Frage.

Aber Lucke und Adam sind Parteigründer und Luckes Statement mit den Vokabeln „Ertüchtigung“ und „Entartung der Demokratie“ wurde zur Erklärung des Überraschungserfolges der ersten Wahlteilnahme der Partei vor zahlreichen Fernsehkameras geäußert. Und sie wurde mit einer biologistischen Ungeziefer-Metapher Konrad Adams in der extrem rechten „Jungen Freiheit“ verteidigt: „Die Antifa ernährt sich vom Deutschen Reich wie die Fliegen vom Kot“. Diese Vokabeln entstammen einer nationalliberalen Ideologie, die die AfD prägt. Sie ist nicht unbedingt nationalsozialistisch, sie ist an sich dehumanisierend und fruchtbar für weitergehendere Dehumanisierungen.

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26 Kommentare

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  1. Hans Berger

    Das Problem der willkürlichen und scheinbar kollektiven Medienhysterie um deren eigene und unreflektierte und vor allem vorgebliche Nazifizierung von Luckes Begriffsverwendungen ist hier offensichtlich: Man will sich vor der Reflexion der Begriffe und Inhalte Luckes drücken und treibt ihm mit tumber Medien-Schelte Menschen in die Arme, welche ebenfalls zu faul zum Denken sind. Man will das Thema am Kochen halten ohne zu kochen nach dem Motto: Ich wasche Dich, mach Dir den Pelz aber nicht nass. Der Grund dafür? Ebenso simpel: Man hat sich nie wirklich mit deutscher Vergangenheit aus den Jahren 33-45 ff. beschäftigen wollen.

    Danke für den Beitrag.

  2. Andreas Kemper

    Da ich hier noch immer massenweise Kommentare von AfDler*innen erhalte, hier noch einmal zur Kenntnisnahme: Kommentare von AfDler*innen sind hier ausdrücklich nicht mehr erwünscht! Nachdem meine Kommentare auf der Facebook-Seite der AfD unmittelbar nach Veröffentlichung gelöscht und mein Account dort gesperrt wurde, war es ein Zugeständnis an die Anhänger*innen und Mitglieder der AfD, dass sie hier dennoch kommentieren durften. Seit allerdings seitens der AfD Nazivokabular aggressiv verteidigt wird und Konrad Adam Kritiker*innen dieses Vokabulars als „Kot-Fliegen“ bezeichnet, ist für mich deutlich eine Grenze überschritten. Bitte sehen Sie also davon ab, hier kommentieren zu wollen, wenn Sie zur AfD gehören oder diese verteidigen wollen, es wäre verschwendete Zeit.
    Sollte die AfD sich für die Nazisprache entschuldigen und sollte die AfD-Facebook-Seite wieder kritische Kommentare zulassen, dann wäre ich vielleicht gewillt, auch hier wieder entsprechende Kommentare zuzulassen.

  3. Arbo

    Von der Stoßrichtung OK, so scheint mir der Beitrag besonders mit Blick auf den Homo Oeconomicus etwas unscharf.

    Der Homo oeconomicus ist ein Modellbild, das im Grunde gar keine menschlichen Züge trägt: Diese Kunstfigur ist bar jeglicher sozialer Präferenzen, kann nur den eigenen Nutzen (was immer das dann heißen mag) maximieren und mit diesem leeren Gehalt die Identifikationsfigur praktisch JEDES Menschen sein. Der Hinweis, dass sich dort „vor allem weiße, deutsche gut situierte Männer mit ihren nichtreflektierten Privilegien und Deklassierungsängsten wiederfinden“, geht deshalb fehl.

    Richtiger scheint mir, dass diese Kunstfigur im Zusammenhang mit der entsprechenden Umgegung (Stichwort: vollständiger Wettbewerb) zu „effizienten“ Ergebnissen führen soll und damit letztlich eine Art „Kampf ums’s Dasein“ rechtfertigt.

    Gut werden das nur die „Gewinner“ eines solchen Wettbewerbs finden: Und das sind „vor allem weiße, deutsche gut situierte Männer“, die vermutlich tatsächlich mit „Deklassierungsängsten“ zu kämpfen haben. Ich denke, so wird ein Schuh draus.

    Inwiefern diese „Gewinner“ ihre Privilegien nicht reflektieren, weiß ich nicht. Angesichts der Studien zur Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wage ich aber zu bezweifeln, dass alle ihre Privilegien nicht reflektieren. Denn das Element der „Etabliertenvorrechte“ spricht eher dafür, dass Privilegien durch die Abwertung Fremder verteidigt werden. Wer – im Jargon des Daseinskampfes – einen „Selektionsvorteil“ für sich reklamiert, wird ihn der Konkurrenz nicht gerne überlassen.

    Übrigens hat Serdar Somuncu den Herrn Lucke in der letzten Anne Will Sendung auf dessen Vokabular („Entartung“) hin vortrefflich (scharfsinnig) festnageln können. Auch der „Westentaschendemagoge“ passt da wie die Faust auf’s Auge (bleibt zu wünschen, dass der Begriff reichlich Verbreitung findet).

    • Andreas Kemper

      Hallo Arbo,

      danke für die Kritik.
      Natürlich haben Sie zunächst Recht. Homo Ökonomikus ist eine Kunstfigur. Vielleicht haben Sie auch Recht damit, dass diese Kunstfigur vollständig im luftleeren Raum schwebt und keine reale Situiertheit wiederspiegelt. Allerdings gehe ich davon aus, dass diese Kunstfigur von Wissenschaftler*innen geschaffen wurde, die zu einem bestimmten privilegierten Milieu gehören und daher diese Kunstfigur plausibel finden. Fabrikarbeiter*innen oder Langzeitarbeitslose hätten die Kunstfigur des Homo Ökonomikus niemals erfunden, sie wäre als vollständig absurd verworfen worden.
      Und auch in ihrem zweiten Punkt haben Sie natürlich recht. Es ist zu befürchten, dass viele Privilegierten bewusst ihre Privilegien als Privilegien reflektieren und gerade deshalb „verroht“ (Heitmeyer) agieren.

      • Arbo

        „Allerdings gehe ich davon aus, dass diese Kunstfigur von Wissenschaftler*innen geschaffen wurde, die zu einem bestimmten privilegierten Milieu gehören und daher diese Kunstfigur plausibel finden.“

        Stimmt, genau das ist der Punkt. Offen gestanden gestaltet es sich jedoch recht schwierig, dies entsprechend zu erforschen. Die Ökonomik behauptet ja von sich aus immer eine „wertfreie“ Wissenschaft zu sein. Das macht es so schwierig, den Damen und Herren Vorsatz zu unterstellen.

        Jedoch existieren Indizien, die deutlich auf Ihre Vermutung hindeuten (die Forschungen von Heitmeyer oder etwa die Elite-Forschung von Hartmann von der TU Darmstadt).

        Noch ein zweiter Zusatz zu den Privilegien: Wir sollten uns davor hüten, den Eindruck zu erwecken, dass nur die „Eliten“ privilegiert seien. Die Heitmeyer-Studien haben deutlich gezeigt, dass auch die unteren Schichten „verrohen“. Das macht solche Bewegungen wie die AfD m. E. um so gefährlicher, weil sie nicht mehr nur die Frontstellung „Arm gegen Reich“ im Sinne einer biologistischen Auslese begünstigt, sondern auch noch „Arm gegen Arm“ in Frontstellung bringt: Irgendwer wird immer noch weniger privilegierter sein und wenn nicht, werden ihm oder ihr einfach Privilegien genommen/ versagt, nur, um nicht am unteren Ende der Treppe stehen zu müssen. Im Grunde kommen wir damit zu ihrem Klassizismus-Thema.

        Das ist deshalb so gefährlich, weil der Gesellschaft damit die Möglichkeiten genommen werden, etwas zu verändern. Das ist m.E. ein wichtiger Punkt, der insb. in der „linke“ Diskussion immer vernachlässigt wird. Die Schere „Arm Reich“ kann auch dazu führen, dass sich die Gesellschaft – bildlich gesprochen – „zerfleischt“, statt sich zu solidarisieren.

  4. Notizen: AfD | leftwinged//bastard linked to this post.
  5. realisator3000

    Ein weiterer sehr guter Artikel zur AfD, danke dafür! Adams Geschreibe in der Jungen Freiheit zur Antifa war mir gar nicht bekannt. Warum wird so etwas nicht thematisiert, wenn Lucke in sämtlichen Talkshows der Republik herumturnt?

  6. DirtyDickDaddy

    Es ist schon sehr tragisch und bedauerlich, dass ein Großteil der deutschen Bevölkerung zu faul zum Denken ist. Das macht sich dann in der Suche nach „vorgeblich“ einfachen Lösungen bemerkbar. Doch der einfache Weg, ist oftmals der Falsche.

    Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass der, der Anderen ihr Existenzrecht abspricht, immer ein von Selbsthass zerfressenes Subjekt ist. Und wer eine Gesellschaft errichtet, die auf Missgunst und Hass basiert, der wird selbst in ihr „vegetieren“ müssen – das sollten sich die Fans von Sarrazin und Konsorten mal klar machen. Wenn man eine Minderheit nach der anderen „diskriminiert > bekämpft > ausrottet“, ist man irgendwann auch selbst dran. Das ist die logische Konsequenz.

    Vermutlich spielt auch die Feigheit eine große Rolle – die Feigheit davor, die Probleme und Verursacher beim Namen zu nennen. Deswegen tritt man nach den vermeintlich Schwächeren und definiert sie als „schuldige“ Opfer.

    Der wahrlich „Entartete“, ist doch der, der sein menschliches Antlitz abgelegt hat.

    Eine üble Saat, die da gestreut wurde. Arme Menschen. Bemittleidenswert.

  7. Silver

    Ja, das ist ein wegweisender Kommentar, der wirklich weiter denkt und ein ernstes Problem , nicht nur der VWL anspricht, die Unterordnung des Menschseins unter ein Modell, hier ein ökonomisches, bei Sarazzin ein biologistisches Modell. Gut, dass angesprochen wird, dass das Problem tief sitzt.

    „Keynes war Befürworter der Eugenik und von 1937 bis 1944 Direktor der British Eugenics Society. 1946 erklärte Keynes die Eugenik zum wichtigsten und ehrlichsten Zweig der Soziologie“.
    Quelle: wikipedia

    Das Problem reicht also weit über die Äußerungen eines Prof. Lucke und auch über die deutschen Grenzen hinaus und in die verschiedensten Wissenschaftsbereiche hinein. Wissenschaft begreift sich auch oft als elitär und die Welt erklärend und ist somit in einem gewissen Sinne klassistisch. Hier kann der Artikel wertvolle Anregungen gegeben, denn in der Tat lässt und ließ sich Wissenschaft immer zum Werkzeug verbrecherischen Gedankengutes machen, was dann eben letztlich eine Frage der Ethik und des Menschenbildes ist.

  8. Silver

    Was ich damit nur sagen wollte, eine Aufarbeitung ist nur teilweise gelungen. Es gab furchtbare Juristen und auch furchtbare Mediziner, der Rest hat sich aber kollektiv weg geduckt. Eben und da ist wirklich ein Ansatzpunkt für eine wissenschaftliche Aufarbeitung gegeben, inwiefern die Nazi Ideologien in die VWL einwirkten und dann fortwirkten. Zu Recht wird der Begriff „Nationalökonomie“ gestreift, eigentlich noch schlimmer wird es bei „Volkswirtschaft“. Zu Recht – wenn auch nicht immer gelungen – dieses Zeitalter halbwegs aufgearbeitet haben, Medizin und Jura sind hier zu nennen, wenn auch spät, müssen einige Fakultäten nacharbeiten. Und das ist sehr gut, dass das hier erstmals thematisiert wird.

  9. Leonard Siebeneicher

    Hallo, Herr Kemper.

    Zu ihren Bemühungen gegenüber der AFD habe ich eher ein gemischtes Gefühl. Natürlich ärgert es mich, wenn arme Menschen als Bodensatz entmenschlicht werden. Als Jemand, der das Gefühl sehr wohl kennt, als „Bodensatz“ abgewertet zu werden.

    Aber der Vorwurf vom Rechtextremismus packt — in meiner Ansicht — das Übel nicht in ihrer Wurzel. In diesem Sinne gebraucht ist „Nationalsozialismus“ seinerseits ein Stigma, das man gegen andere ausspielen kann. Gleiches mit Gleichem?

    Eine Richtung wird eingeschlagen, die mir nicht behagt. Es scheint mir ein Versuch, klassistische Stigmen mit einem Stigma „Vorsicht, Nationalsozialismus“ zu begegnen. Dabei wird das Prinzip des Stigmas weitergeführt.

    Ich habe Zweifel, daß dieser Weg zu einer Änderung führen kann. (Als „Aufklärung“ über den Klassismus nehme ich das nicht wahr. )

    Bisher habe ich im Internet kaum jemanden gefunden, der sich in Deutschland mit der dem „Klassismus“ beschäftigt hat. Dieser Umstand führte mich zu Ihrem Blog. Gerade hier finde ich, daß Sie mit ihrem Wissen einen Beitrag leisten können, mehr Bewusstsein zu schaffen.

    Diese Muster verständlich zu machen. Dafür fehlt mir Kraft, sprachliches Geschick und Wissen. Bitte, Herr Kemper, helfen Sie, indem Sie ihre Aufklärungsarbeit zum Klassismus weiter kultivieren.

    Weil (das denke ich nun mal) man Stigmen nicht wiederum mit Stigmen überwinden kann.

    Ein Gruß,
    Leonard

  10. A.H.

    Sehr geehrter Herr Kemper, heute, beim Lesen von spiegel online, kam mir das Wort „Entartung“ in den Sinn: die Unternehmerin Johanna Quandt sowie ihre Kinder Stefan Quandt und Susanne Klatten jeweils 70.000 Euro an die FDP – zusammen also 210.000 Euro. Vor zwei Wochen war die ebenfalls am 9. Oktober erfolgte Großspende der Quandts an die CDU über 690.000 Euro bekannt geworden. Es kann nur als Dankeschön unter anderem dafür verstanden werden, dass die schwarz-gelbe Koalition niedrigere CO2-Grenzwerte verschoben und eine Energiekennzeichnung für Autos eingeführt hat, die den Käufer zugunsten schwerer Karossen für dumm verkauft.
    Und nun kommt die SPD und möchte sich gern 4 Jahre am großen Spiel um Macht in einer Koalition beteiligen.
    Sorry – mir fiel wahrhaftig nur dies einzige Wort-siehe oben- dazu ein…….

    • Andreas Kemper

      Mit „Entartung“ hat das allerdings nichts zu tun. Es ist ganz normaler Lobbyismus an der Grenze zu Bestechung. „Entartung“ würde ja heißen, es gäbe einen „guten“ „artgerechten“ Kapitalismus ohne Lobbyismus des Kapitals. Oder „Entartung“ würde heißen, die Quandts wären „degeneriert“. Das ist natürlich Quatsch.

  11. Peter

    Werter Herr Kemper!

    Ich finde es schade, dass Sie die zwei Links kommentarlos gelöscht haben. Ich bin zwar kein Anhänger oder gar Mitglied der AfD, so dass ich die kommentarlose Löschung nicht nachvollziehen kann, aber das Löschen unbequemer Inhalte ist bezeichnend und die Echauffierung über das Wörtchen „entartet“ ist gerade zu entlarvend.

    Aber ich bleibe hartnäckig und da Lesen bekanntermaßen bildet:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Ochlokratie

    und

    http://mehrfachwelten.de/node/51

    Seien Sie wenigstens so konsequent und verteufeln Sie bitte *alle*, die das Wörtchen „entartet“/“Entartung“ gebrauchen und nicht nur diejenigen, die offenkundig nicht in Ihr Weltbild passen.

    Freundliche Grüße

    Peter Clausnitzer

    • Andreas Kemper

      Was heißt hier „verteufeln“? Schauen Sie sich bitte an, wie das Wort in der Liste dort meistens verwendet wird. Es steht in einem Zusammenhang, der mehr als problematisch ist. Baring, Meisner, Schmidt. Fehlt noch die Vokabel „Proletarisierung“.

    • Irina Smirnova

      Sehr geehrter Herr Kemper,
      Sie verbinden die AFD mit Aussagen einiger Mitglieder der Partei. Sie sind aus der Vergangenheit. Geschichte und niemals ein Diskussionspunkt im Bundesvorstand gewesen. Sie finden auch darüber nichts in unserem Programm. So schüren Sie Ängste mit Vermutungen.
      Auch werden wir uns nicht den Torries anschliessen. Wir sind und bleiben unabhängig.
      Über den „Sozialstaat “ würde ich mit Ihnen gerne diskutieren. Hier gebe ich Ihnen noch andere Begriffe, die hierzu gehören, nähmlich Solidarität und Zwang.

      • Andreas Kemper

        Sehr geehrte Frau Smirnova,
        die AfD hat noch kein Programm, sondern nur ein vierseitiges Wahlprogramm. Die Aussagen einer führender Mitglieder der Partei sind Vergangenheit. Natürlich. Alles was man äußert ist in dem Moment, wo es von anderen wahrgenommen wird, Vergangenheit. Allerdings sehe ich keinen Grund zur Annahme, dass diese Vergangenheit eine abgeschlossene Vergangenheit ist. Ich schüre daher keine Ängste, sondern kläre darüber auf, welche Äußerungen führende Mitglieder der AfD in jüngster Zeit von sich gaben.
        Lucke und Dilger sprachen sich dafür aus, sich im Falle des Einzugs in das EU-Parlament den Tories anzuschließen. Es gab darüber massive Auseinandersetzungen. Martin Renner aus NRW und ein Vorstandsmitglied aus Mecklenburg-Vorpommern haben hingegen demonstrativ die UKIP besucht. So weit ich weiß, sind dies die Alternativen. Oder aber die AfD wird sich keiner Fraktion anschließen, sie wäre dann auf EU-Ebene sehr wirkungslos.
        Sehr geehrte Frau Smirnova, ich weiß nicht, ob es sinnvoll ist, mit mir eine Diskussion über den Sozialstaat zu beginnen, wenn es darin um Solidarität und Zwang gehen soll. Diesen Vorschlag zum Zwangsunterricht (u.a. in Religion!) lehne ich jedenfalls ab:
        “Alle Hilfeempfänger, sowie Erwachsene, die Leistungen aus dem Asylrecht empfangen, mit Ausnahmen : Elternteil von kleinkindern bis 18 Monate, das mit dem Kind lebt, Elternteil von Kindern mit Behinderungen(dato), werden zusammengefasst und in einem Lektorium unterrichtet, Sie haben einen normalen Arbeitstag wie alle normal arbeitende Bürger und Urlaubsanspruch. Es werden Schulungen in Deutsch, Mathematik Politik, Religion, Berufsfördernde Maßnahmen ect. angeboten ihrer Leistungsniveau entsprechend mit Anwesenheitspflicht, bei 90 Min. Pause in der Mensa zum Mittagessen.
        Freigestellt vom Unterricht kann nur durch Erlaubnis erteilt werden für Jobsuche, Hierüber ist ein Report zu erstellen.
        Krankmeldungen werden nur von einem bestimmten akkreditiert Arzt vorgenommen. Dieser stellt auch Überweisungen aus.
        Jedem Lektorium ist ein Kindergarten angeschlossen. Es steht aber den Eltern frei einen anderen Kindergarten zusuchen.
        Ferner für die schulpflichtigen Kinder ist eine Betreuung vorgesehen.”

  12. Peter

    Danke für Ihre Antwort.

    Lucke sprach von „entarteter Demokratie“ – Ochlokratie ist genau das…

    Und andere sprechen von „entarteter Politik“ (Schäuble) o.ä. Offenbar haben wir zwei ein unterschiedliches Sprachverständnis. Ich sehe keinen großartigen Unterschied darin, wenn Altkanzler Schmidt davon spricht, dass „die Gesellschaft entartet“ oder Kardinal Meisner von „entarteter Kultur“ spricht oder eben Lucke sagt „Wir haben so viel an Entartung von Demokratie und Parlamentarismus in den letzten vier Jahren erlebt“ – wo ist da der Unterschied?

    • Andreas Kemper

      Ja eben. Das sind alles die selben äußerst üblen Rassismen/ Klassismen. Diese Begriffe gehen einher mit dem „Proletarisierungs-Diskurs“ und der „Untermenschen-Ideologie“, wo es ja auch einen katholischen Zweig gab, der dieses menschenverachtende Zeug ausgebreitet hat. Lucke befindet sich in dieser menschenverachtenden Theorietradition. Und Altkanzler Schmidt natürlich auch. Schmidt hatte entsprechend auch Sarrazin verteidigt. Es gibt eben auch eine sozialdemokratische Geschichte der Rassenhygiene. Der Nationalsozialismus ist nicht „vom Himmel gefallen“, sondern konnte sich aufgrund einer rassenhygienischen Theorieproduktion entwickeln, bei denen sowohl Sozialdemokraten als auch Katholiken (Paul Rohrbach) ihren nicht geringen Anteil hatten. Die rassenhygienischen Ideen waren allerdings in der nationalliberalen Bewegung am fruchtbarsten. Und die AfD erweckt den Nationalliberalismus gerade wieder neu zum Leben. Daher ist es sehr passend, wenn Lucke und die AfD versucht, Begriffe wie „Entartung“ und ^Bodensatz^ zu „normalisieren“. Auch die „Ochlokratie“ wird hier gerne als Drohung an die Wand gemalt, das findet sich ja in den demokratiefeindlichen Äußerungen verschiedener führender AfDler wieder. Passt alles. Worüber wollten Sie sich noch mal beschweren?

      • Prof.Dr.Dr.(ru) Irina Smirnova

        Sehr geehrter Herr Kemper,
        ich bin einer der Bösen aus den Bundesvorstand der AFD und für mich sind Ihre Ausschweifungen eine Art Pflichtleküre. Ich habe meine Jugend noch im kommunistischen System verbracht. und Ihre Ausführungen erinnern mich sehr daran. Sie laufen einer Utopie hinterher. Wir leben aber in der Realität. Ich, als Russion, habe absolut keine Probleme mit den Wortwahlen. In Deutschland gibt es viel zu viel historisch entwickelte Tabus.
        Ich verstehe unter Entartet bestimmt etwas anderes als sie. Ich benutze die ursprüngliche
        Bedeutung und nicht die eingefärbte.
        Das Problem wird sein, dass mit Ihnen zu diskutieren so gut wie unmöglich sein wird.
        Wir müssten erst uns über die Begriffe einigen, denn wir sprechen auch wennn wir uns auf Deutsch verständigen fast eine unterschiedliche Sprache. Vielleicht sollten wir uns auf Englisch unterhalten.

      • Andreas Kemper

        Sehr geehrte Frau Smirnova,

        es wundert mich, dass Sie als Bundesvorstandsmitglied einer Partei, die sich „Alternative für Deutschland“ nennt, anderen vorwerfen, einer Utopie hinterherzulaufen. Ich gebe gerne zu, dass ich einer Utopie hinterherlaufe. Ich bin Blochianer. Ernst Bloch verließ 1961 die DDR, er verließ aber nicht die Utopie einer besseren Welt. In der Nazi-Zeit verfasste er als jüdischer Marxist den ersten Band des „Prinzip Hoffnung“. Bloch steht für den geprüften militanten Optimismus, den „Optimismus mit Trauerflor“. Ihre Partei hingegen möchte sich im Falle eines Einzugs in die EU den Tories anschließen, der Partei Magret Thatchers, die unter der Losung „There is no Alternative“ den Sozialstaat und die Gewerkschaften in Großbritannien zerschlug.
        Zum Begriff „Entartung“. Der Begriff wurde in Deutschland wichtig, als Nordau ihn als medizinischen Begriff einführte. Bereits damals war der Begriff äußerst problematisch. Der Dekadenz-Diskurs wurde mit einem medizinischen Degenerations-Diskurs verbunden, wobei im Deutschen der Begriff „Entartung“ zentral wurde. Unter den Nazis erhielt der Begriff „Enartung“ noch populärer. Vor allem demokratietheoretisch verbietet es sich, den Begriff „Entartung“ zu benutzen. Das Problem ist aber nicht nur der Begriff. In gewisser Weise wurde der Begriff „Entartung“ von Lucke richtig verwandt, da es in der AfD einige Demokratietheoretiker zu geben scheint, die die Demokratie einschränken wollen (Entzug des Wahlrechts für Arbeitslose, Abschaffung des Parlamentarismus usw.). Daher ist nicht nur der Begriff „Entartung“ an sich problematisch, sondern die Denkweise, die mit diesem Begriff nur zum Ausdruck gebracht wird.
        Eine Unterhaltung auf Englisch würde daher auch nicht weiterführen. Wenn „Entartung“ durch „Degeneration“ übersetzt wird, klingt es nur besser. Die Denkweise ist die selbe.

  13. Peter

    In Ihren Blogeinträgen geht es nach meinem Empfinden sehr einseitig gegen die AfD – oder ich habe nur noch nicht die anderen Beiträge gefunden. Mir hat gefehlt, was Sie nun ausgeführt haben. „Beschweren“ wollte ich mich mit Sicherheit nicht. Danke für Ihren Beitrag.

    • Andreas Kemper

      Was heißt hier „einseitig“ gegen die AfD? Ich hatte in den letzten Jahren intensiv die rassenhygienischen Ideologien von Thilo Sarrazin kritisiert und bin über das Umfeld Sarrazins auf die Entwicklung von Gruppierungen aufmerksam geworden, die sich dann zur AfD zusammengeschlossen haben.

  14. Prof.Dr.Dr.(ru) Irina Smirnova

    Sehr geehrter Herr Kemper,
    danke, dass Sie mich belehren über das Programm. Bei dem Wort anschließen kommen wir schon in Konflikt.
    Glauben Sie, dass weil ich mit Ihnen spreche, morgen die Bildzeitung drucken wird, dass ich mich Ihnen oder den Linken anschließe.

    Solidarität ist die Basis jedes Sozialstaates, bei dem es Geber und Nehmer gibt.
    Die Geber sind wir alle, denn auch Nehmer zahlen bekanntlicher Weise die Umsatzsteuer auf Produkte und Leistungen.
    Nur soll aus meinem Verständnis, der Nehmer sich auch in die Gesellschaft einbringen.
    Der Großteil der Nehmer haben Defizite in der Bildung, die minimiert werden müssen, damit
    die Kluft kleiner wird. Ich denke hier stimmen Sie sogar mit mir ein.
    Ich sehe die Solidarität die der Nehmer aufbringen muss nicht als Zwang.

    Natürlich können Sie aus Ihrer Sicht alles ablehnen nur auf diesem Weg wird Ihre Utopie
    niemals Wirklichkeit, oder Sie bevorzugen die Revolution des Proletariäts.
    Ein Grünen Motto Nein, Danke

    • Andreas Kemper

      Sehr geehrte Frau Smirnova,

      bevor wir über den Zwang zur Bildung sprechen, sollten wir zunächst über die Möglichkeit zur Bildung sprechen.
      In Deutschland haben wir ein aus dem 19. Jahrhundert stammendes Bildungssystem, welches Menschen entsprechend ihrer sozialen Herkunft ausselektiert. Ich selber erhielt als Arbeiterkind mit einem guten Zeugnis nach der Grundschule eine Hauptschulempfehlung. Es waren nur Zufälle, die dann doch dazu geführt haben, dass ich studiert habe. Ein Zufall bestand darin, dass ich das Glück hatte, mit einem Freund zusammen eine Stadtteilbibliothek zu besuchen. Wichtig wäre also als erstes: Abschaffung des gegliederten Schulsystems und ein umfangreiches Netz mit Stadtteilbibliotheken, an die die Kinder herangeführt werden. Letzteres würde bedeuten, dass die Schuldenbremse wieder abgeschafft wird, da sich diese unsinnige Schuldenbremse so auswirken wirkt, dass die Länder und Kommunen bei Bildungsausgaben sparen müssen. Darüber hinaus habe ich bei der Gewerkschaft als Teamer für Bildungsurlaube gearbeitet. Diese Bildungsurlaube sollten ausgebaut und auch Arbeitslosen zur Verfügung gestellt werden. Gut fände ich auch, wenn die Zugangsberechtigung für Studiengänge abgeschafft würde. Warum soll man Menschen verbieten, sich zu bilden? Also bevor Zwang zur Bildung eingeführt wird, sollte die Freiheit – vor allem auch die materielle Möglichkeit zu dieser Freiheit – zur Bildung eingeführt werden.

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