Highnoon in der AfD?

· Allgemein

Am Monatsende finden verschiedene Landesparteitage statt, an denen es zu einem Shootout zwischen neoliberalen und nationalliberal-rechtspopulitischen Kräften kommen wird.

Wichtig ist hier der Landesverband Hamburg, wo der Konflikt zwischen Jörn Kruse (neobliberal) und Jens Eckleben (Ex-Mitglied Die Freiheit) eskaliert. Eckleben hatte auf Wunsch des Landesvorstands bereits am 17. Oktober seine  Moderationstätigkeit der AfD Facebookseite des LV Hamburg abgegeben. Kurze Zeit später gab es Knatsch wegen einer von ihm angekündigten Versammlung. Angefangen hatten die Auseinandersetzungen schon vorher. Ein Mitglied der AfD Hamburg hatte diese wegen der deutlichen Rechtstendenzen verlassen. Kruse klagte Anfang September ebenfalls über die Rechtspopulisten innerhalb der AfD. Eckleben schrieb daraufhin eine Rundmail an alle Hamburger Mitglieder, in der er zur Neuwahl des Landesvorstandes aufrief. Der LV ermahnte daraufhin Eckleben und schaltete das Schiedsgericht ein, welches ihm befristet die Fähigkeit absprechen soll, Parteiämter in der AfD Hamburg einnehmen zu können. Zudem wurde er aufgefordert, die Adressenlsite rauszurücken.

Noch deutlicher ist die Situation in NRW. Auch hier findet Ende November/Anfang Dezember ein Landesparteitag statt. Die Konfliktlinie läuft hier zwischen dem stellvertretendem Sprecher der AfD, Martin Renner, und dem Vorsitzenden Alexander Dilger. Bernd Lucke ist hier direkt involviert. Zwei Leihgaben von je 500.000 Euro, die der Bundesvorstand entgegenommen hatte, lösten den Konflikt aus. Der LV NRW hatte daraufhin eine Klage gegen den Bundesvorstand beim Bundesschiedsgericht angestrengt.  Innerhalb des LV NRW gab es darüber Streitigkeiten, die dann zu einer Reihe von Rücktritten führten. Insgesamt sind sieben der zehn Vorstandsmitglieder zurückgetreten, bzw. werden am Landesparteitag zurücktreten. Tatsächlich verbirgt sich hinter diesen Rücktritten jedoch der Streit zwischen Dilger und Renner. Dilger hatte bereits mehrfach liberale Positionen bezogen. So distanzierte er sich vom Bundesvorstand, als dieser sich kritisch zur Aktion des LV Berlins äußerte, welcher Unterstützungsunterschriften bei einem schwul-lesbischen Straßenfest gesammelt hatte. Ebenso zeigte er sich kritisch gegenüber eine ominöse Zeitungsanzeige eines „Freundeskreises der Alternative für Deutschland“, in der für ein antiquiertes Mütterbild geworben wurde. Innerhalb der AfD dürfte beim Gender-Thema Dilger die liberale Linie vertreten, das Kampagnennetzwerk der Zivilen Koalition um Beatrix von Storch die geschlechterkonservative Linie. Martin Renner hingegen scheint eher für den Rechtspopulimus bzw. Nationalliberalismus im LV der AfD NRW stehen. So veröffentlichte er zusammen mit dem Nationalliberalen Axel Hahn ein gemeinsames Postionspapier. Noch deutlicher dürfte aber die Offerte gegen Dilger und Lucke gewesen sein, als Renner zusammen mit Steffen Wandschneider, einem Sprecher des LV Mecklenburg-Vorpommern, den UKIP-Chef Nigel Farage besuchten. Dilger und Lucke hatten zuvor die Parole ausgegeben, dass die AfD voraussichtlich mit den Tories zusammenarbeiten wird. Diese Frage hat einen hohen Symbolwert, weil sie zeigt, wie weit rechts sich die AfD ausrichten wird. Es ist keinesfalls sicher, dass sich Lucke und Dilger in dieser Frage durchsetzen werden. Der LV der AfD M-V hat sich anscheinend deutlich für die UKIP positioniert. Ein weiteres Vorstandsmitglied, Andreas Kuessner, war ebenfalls Mitglied bei Die Freiheit. Überhaupt scheinen sich die östlichen Landesverbände weiter rechts zu positionieren als Lucke. Sie haben zudem nicht nur die höchsten Wahlergebnisse erzielt, sondern in Thüringen und Sachsen werden darüberhinaus die ersten Landtagswahlen stattfinden, an denen die AfD voraussichtlich teilnehmen wird. Wenn sie ihr Potential halten, werden sie dort einziehen, da sie in den Ländern bei der Bundestagswahl über 6% erzielten. Dilgers Region dümpelte hingegen mit 2,3% vor sich hin – hätte Westfalen den Bundesdurchschnitt erzielt, wäre die AfD vielleicht in den Bundestag eingezogen. Zudem sollte die Zivile Koalition als rechtskonservative Kraft nicht unterschätzt werden. Und auch die AfD-Jugend scheint sich deutlich rechts von Lucke zu positionieren, so verlinkt die JA-Facebook-Seite ihre Interviews mit der Blauen Narzisse und wirbt für Veranstaltungen im neurechten Studienzentrum Weikersheim.

Lucke sprach sich in einem Interview für die Abwahl des Teams um Martin Renner aus, der sich bislang weigert, zurück zu treten. Einer seiner Kollegen ist Hermann Behrendt, der in seinem Buch Mandative Demokratie die Abschaffung des Parlaments fordert, weil Parlamentarierer zu gutmenschig gegenüber „Arbeitsscheuen“ und „Migration der Falschen“ seien. Renner koordiniert in NRW die AfD-Arbeitskreise. Für den Arbeitskreis Steuergerechtigkeit, Staatsfinanzen, Staatshaushalt ist der ehemalige Republikaner Ulrich Wlecke zuständig. Die Arbeitskreise Demokratie und Arbeit und Soziales leitet ausgerechnet Hermann Behrendt.

Am 1. Dezember wird sich also zumindest in Hamburg und NRW gezeigt haben, wie stark die Neoliberalen bzw. Nationaliberalen/Rechtspopulisten in der Basis der AfD verankert sind. Danach wird die Auseinandersetzung weitergehen. Sollte sich eine Gruppierung gegen die andere durchsetzen, dürfte dies das Ende der AfD sein.

Nachtrag 23.11.2013

Alexander Dilger hat heute auf seinem Blog angekündigt, auf eine weitere Kandidatur als Sprecher der AfD NRW zugunsten des ehemaligen Schatzmeisters Jörg Burger zu verzichten. Allerdings hofft er, dass Martin Renner abgewählt wird.

Nachtrag 24.11.2013

Beim Landesparteitag in Hessen kam es gestern zum Eklat. Auch hier spielen die Flügelkämpfe eine wichtige Rolle. Diese wurden in aller Öffentlichkeit auf der Facebook-Seite der AfD Hessen ausgetragen. So setzte sich auf dort der Rechtspopulist Jens Eckleben (Hamburg) für die Wahl für den Rechtspopulisten Wolfgang Hübner (Frankfurt a.M.) ein.

Der bisherige Vorstand (der u.a. zuvor den Rechtsaußen Hübner aus dem Vorstand entfernt hatte) ist zunächst zurückgetreten, um sich dann mittels einer Gruppenwahl wiederwählen zu lassen, was vor allem von der rechtspopulistischen Fraktion abgelehnt wurde. Zunächst traten 8-10 GegenkandidatInnen an, die dann aufgrund der Gruppenwahl die Wahl doch noch ablehnten. Als die Versammlungsleitung dann keine weiteren Kandidaturen zuließ, verließen nach unterschiedlichen Angaben 120-160 AfDlerInnen den Raum, wodurch die Versammlung nicht mehr stimmberechtigt war und die Versammlung ohne Ergebnis abgebrochen werden musste. Der Parteitag wird in drei Wochen wiederholt.

In der Versammlungsleitung saß übrigens die AfD-Sprecherin Frauke Petry, die an dem Tag eigentlich eine Rede bei der rechtspopulistischen Compact-Veranstaltung in Leipzig halten sollte.

Nachtrag 24.11.2013

Auffällig ist, dass die RechtspopulistInnen als Störer, Provokateuere, Blockierer, Saboteure und Putschisten bezeichnet werden. Zwar werden auch die Namen (Renner, Hübner) genannt, aber kaum die politischen Unterschiede. Als ginge es den Rechtspopulisten und Nationalliberalen um Störung, Provokation oder Sabotage. Dies lässt darauf schließen, dass ein Großteil der AfDlerInnen, die die Rechtspopulisten ablehnen, dies nur aus einer Law-and-Order-Gesinnung heraus machen.

13 Kommentare

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  1. Marco Trauten

    Bis auf einige eklatante Fehler hervorragend recherchiert. Etwas weniger „rechts“ und „Rechtspopulisten“ im Text, als man es sonst von Ihnen gewohnt ist, aber im großen und ganzen durchaus lesenswert. Chapeau, Herr Kemper. Eventuell ist doch Dialog mit Ihnen möglich?

  2. Leser

    Der letzte Nachtrag ist regelrecht abstrus. „Putschisten“ und „Saboteure“ gibt es nicht nur aus politischen Gründen, sondern natürlich und vor allem auch aus ganz kleinlichen persönlich-egoistischen Motiven. Recherchieren Sie nochmal ohne links-rechts-Scheuklappe, was da im Vorfeld abgelaufen ist, und wer gegen wen und warum intrigiert.

    • Andreas Kemper

      Natürlich gibt es auch persönlich-egoistische Motive. Mir geht es aber gerade um die politischen Hintergründe. Und diese sind eindeutig vorhanden (siehe Solidaritätsbekundungen von Eckleben für Hübner).

      • Leser

        Noch einmal. Recherchieren Sie, wer gegen wen intrigiert (oder am besten erst einmal, wer überhaupt als „Putschist“ bezeichnet wird; kleiner Tipp: die kommen nicht alle aus dem „rechtspopulistischen“ Lager), und aus welchen Gründen. Nach Ihrer Theorie der politischen Hintergründe sollte diese Konstellation nämlich überhaupt nicht möglich sein.

      • Andreas Kemper

        Auch gerne noch einmal: Die persönlichen Postenjägerei, die es in jeder Partei gibt, interessiert mich nicht. Mich interessieren die politischen Konfliktlinien.

      • Leser

        Und deshalb sind Sie in diesem Fall mit Ihrer Zuordnung und Interpretation völlig auf dem falschen Dampfer. Ich dachte, Sie wollten wissen, wo die eklatanten Fehler sind.

      • Andreas Kemper

        Ich habe gar nicht nach „Putschisten“ zugeordnet. Sondern ich hatte geschrieben, dass Rechtspopulisten als Putschisten gekennzeichnet werden.

  3. Mathesar

    Also Herr Kemper,

    aus erster Hand kann ich Ihnen sagen, das es in der Tat NICHT um politische Auseinandersetzungen geht. Die Putschisten, Störer etc. versuchen in Machtpositionen zu kommen und dabei geht es nicht um politische Auseinandersetzungen, sondern nur um ein Hauen und Stechen um in die gewünschte Position zu kommen. Um politische Positionen würde es gehen, wenn rechte Randpositionen in der AfD hoffähig wären, das sind sie aber nicht. Daher versucht man es eben auf die unfeine Art. Das ist menschlich, passt aber jetzt nicht gerade in diese links-rechts Auseinandersetzung…

    • Andreas Kemper

      Die rechten Randpositionen sind nicht hoffähig? Das wundert mich. Wurde die AfD / Wahlalternative 2013 doch vom Nationalliberalen Alexander Gauland und von Konrad Adam gegründet. Frauke Petry, die eigentlich beim rechtspopulistischen Compact-Kongress teilnehmen wollte, wurde gerade erst mit 80% Stimmen in Sachsen bestätigt. Und in Thüringen findet eine Programmdiskussion am Wochenende statt, in der der Sezession-Autor Günter Scholdt das Impulsreferat hält, quasi wegweisend. Übringens wurde in NRW Hermann Behrendt zum ersten stellvertretenden Landessprecher gewählt. Und die Kernposition in seinem Buch Mandative Demokratie (Parlamentarismus abschaffen, dann gibts auch keine „Arbeitsscheuen“ und keine „Migration der Falschen“ mehr) ist mehr als rechts.

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