Forderte Höcke bereits 2012 einen biologischen Rassismus?

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Björn Höcke bezog sich in einer Rede beim neurechten Institut für Staatspolitik (IfS) auf die Populationsökologie J. Philippe Rushtons, wie sie in seinem Buch Rasse, Evolution und Verhalten – Eine Theorie der Entwicklungsgeschichte dargelegt wurde. Das Buch wird vom hauseigenen Antaios-Verlag des IfS vertrieben. Ruhston hatte in dieser rassistischen Publikation die von Biologen inzwischen selbst für die Fauna umstrittene r-/K-Theorie auf die Menschheit ausgedehnt und zwar differenziert nach „Menschenrassen“.

Rasse

Es handelt sich hier also keinesfalls um eine Privattheorie Höckes (und Höcke wurde auch nicht „fehlinterpretiert“) sondern um eine in diesen neurechten Kreisen breit diskutierte Ideologie. 2010 lud die Burschenschaftliche Gemeinschaft Philippe Rushton zu einem Vortrag mit dem Titel „Rasse, Evolution und Verhalten“  ein. 2011 wurde aus diesem Umfeld in der Deutschen Burschenschaft die Diskussion um den sogenannten „Ariernachweis“ gestartet. Mitglied in der DB sollte nur werden dürfen, wer deutsche Vorfahren habe, ein deutscher Pass reiche nicht aus. Auch ein Mitarbeiter in der Thüringer Landesfraktion der AfD, der Burschenschaftler Torben Braga äußerte sich entsprechend: „Wenn jemand sich zu Deutschland bekennt und deutscher Abstammung ist, kann er bei uns aufgenommen werden.“ Die Abstammungen, Höcke würde von biologischer „Phylogenese“ sprechen, sind diesen Menschen wichtig. Die entsprechende „Rassen“-Ideologie findet sich einschließlich Rushton im Sortiment des IfS-Verlages.

Daher gab es auch keinen Aufschrei oder auch nur empörtes Gemurmel, als Höcke die „populationsökologische Brille“ aufsetzte und die unterschiedlichen „Evolutionskonzepte“ zwischen „den Afrikanern“ und den „Europäern“ darlegte. „Afrikaner“ seien „Ausbreitungstypen“, Europäer seien „Platzhaltertypen“. Er gab lediglich Ruhston wieder und zwar korrekt, ohne irgendwelche Höck’schen Eigenheiten. Hier das Zitat von Höcke, ich hatte es bereits am vergangenen Freitag Vormittag transkribiert und veröffentlicht, wenige Stunden später wurde diese Passage von Panorama und NDR-Recherche einem größeren Publikum bekannt gemacht:

„Und an dieser Stelle ist es angeraten, meiner Meinung nach, mal die populationsökologische Brille aufzuziehen und den Blick noch etwas zu weiten. Der Bevölkerungsüberschuss Afrikas beträgt etwa 30 Millionen Menschen im Jahr. Solange wir bereits sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern. Die Länder Afrikas, sie brauchen die deutsche Grenze, die Länder Afrikas, sie brauchen die europäische Grenze, um zu einer ökologisch nachhaltigen Politik zu finden. Und die Länder Europas brauchen sie gegenüber Afrika und den arabischen Raum um so dringender, weil Europa phylogenetisch vollständig nachvollziehbar eine eigene Reproduktionsstrategie verfolgt. In Afrika herrscht nämlich die sogenannte Klein-r-Strategie vor, die auf eine möglichst hohe Wachstumsrate abzielt. Dort dominiert der sogenannte Ausbreitungstyp und in Europa verfolgt man überwiegend die Groß-k-Strategie, die die Kapazität des Lebensraums optimal ausnutzen möchte, hier lebt der Platzhaltertyp. Die Evolution hat Afrika und Europa vereinfacht gesagt zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert. Sehr gut nachvollziehbar für jeden Biologen. Das Auseinanderfallen der afrikanischen und europäischen Geburtenraten wird gegenwärtig natürlich noch verstärkt durch den dekadenten Zeitgeist, der Europa fest im Griff hat. Kurz: im 21. Jahrhhundert trifft der lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp auf den selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp. Und diese Erkenntnis, wenn diese Erkenntnis von irgendeinem der Altparteien-Politiker zur Kenntnis genommen worden ist, was ich wage zu bezweifeln, diese Erkenntnis die ruft nach einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Asyl- und Einwanderungspolitik Deutschlands und Europas, liebe Freunde.“ (28:10)

Höcke hat also die Populationsökologie aus der Fauna auf angeblich unterschiedliche Menschentypen übertragen. Unmittelbar vor der AfD-Karriere des verbeamteten Geschichtslehrers Höcke forderte eine noch unbekannte Person mit dem Pseudonym „Landolf Ladig“, den ökologischen Blick auf die Phylogenese der Menschen und nicht nur auf die „Ontogenese“ des Menschen zu richten. Die Ökologie der Grünen bezöge sich nur auf die „Ontogenese“, beklagte „Ladig“: „Das Parteiprogramm [der Grünen; A.K.] fußt daher auf kulturalistischen und behaivioristischen Theoriederivaten. Sie postulieren die „Machbarkeit des Menschen“ und sind die Grundlage jener grausamen Gesellschaftsexperimenten, die als Gender Mainstream und Multikulturalismus Teil der offiziellen Politik der BRD geworden sind.“ (Landolf Ladig: Ökologie und Postwachstumsökonomie. Die Krise des Liberalismus, in: Volk in Bewegung, 1/2012, S. 12) Ich gehe davon aus, dass es Höcke war, der, als er noch Lehrer gewesen ist und bereits 2006 darauf hingewiesen wurde, er solle sich mit rechten Beiträgen in der Öffentlichkeit mäßigen, hier als „Landolf Ladig“ unter Pseudonym schrieb. Auch Höcke forderte später als AfD-Politiker das Ende des „Machbarkeitswahns“ der „Gesellschaftsexperimente“ „Multikulturalismus“ und „Gendermainstreaming“.

Wichtig an dieser Stelle ist nicht so sehr, weitere Übereinstimmungen zwischen den Texten „Ladigs“ und Höckes festzustellen, sondern die Forderung „Ladigs“ (Höckes?), die Menschheit als Teil der Fauna zu betrachten, deren „rassische“ Entwicklung populationsökologisch betrachtet werden müsse. Er bezieht sich dabei auf den NPDler Arne Schimmer, der zeitgleich mit Höcke in Gießen studierte:

„Während die zuweilen hysterisch artikulierte Sorge um gefährdete Tierarten indirekt auf die Entelechie, also eine eingriffsfreie, die Anlageseite betonende, Entwicklung der Wesen abstellt, wird der Mensch, der biologisch betrachtet auch ein Teil der Fauna ist, aus dem ökologischen System herausgenommen. So macht ‚man sich zwar Sorgen um jedes habitat einer gefährdeten Krötenart, gleichzeitig reagiert man völlig gleichgültig auf das Absterben der eigenen Kultur und damit der eigenen geistigen und kulturellen Traditionen‘ (vgl ebenda [Arne Schimmer: Der verlorene Auftrag, in: hier & jetzt 17/11, S. 18 – 27; A.K.], S. 23). Während man sich – selbstverständlich berechtigt – um die lebensgesetzliche Entwicklung von Pflanzen und Tieren sorgt, spricht man der zentralen Entwicklung der Evolution, dem Menschen, ein eigengesetzliches Entwicklungsrecht seines Wesenskerns ab und führt ihn einer ideologischen Vernutzung zu. Die nichthumane Natur darf sich nach ihrer inneren Logik entwickeln, der Mensch muß gemacht werden, so die Unlogik der ‚linken‘ Ökologie à la ‚Die Grünen‘.“ (ebd.)

Es folgt dann eine Passage, die wir auch sehr gut vom Redner Höcke kennen, der die „Polarität der Geschlechter“ gegen die „Ehe für alle“ propagiert. Erst die „Polarität der Geschlechter“ ermöglichte die europäische Hochkultur, behauptete Höcke in seiner Weihnachtsrede vor der Jungen Alternative in Baden-Württemberg. Und er warnte öffentlich vor dem „Gender-Totalitarismus, dieser Fehlgeburt des Behaiviorismus“, sowie vor gesellschaftlichen multikulturellen „Transformationsprozessen“. An dieser Stelle soll es wie gesagt nicht darum gehen, die Gleichheit zwischen Höcke und Ladig zu belegen, das ist an anderen Stellen ausführlich geschehen. Hier geht es um die Frage, ob „Ladig“ bereits eine rassistischen Biologismus in Form einer Populationsökologie Philippe Rushtons einforderte. Lassen wir „Ladig“ also weiter zu Wort kommen:

„Die Auflösung der geschlechtlichen Polarität in Homo-, Bi- oder Transsexualität steht dabei ganz oben auf der Agenda, wodurch langfristig nicht nur die Fortpflanzung der Menschheit in Frage gestellt wäre, sondern eben auch die schöpferischen Impulse, die aus dem Geschlechtergegensatz entstehen, zu versiegen drohen. Auch die befürwortete Transformation gewachsener Völker in multikulturelle Gesellschaften belegt die totale Hegemonie kulturalistischer oder behaivioristischer Theorien innerhalb ‚grüner‘ Gesellschaftsutopien. Dabei muß im anthropologsichen Bereich dasselbe gelten wie für die übrige belebte Natur auch – und was dort publikumswirksam von ‚Grünen‘ eingefordert wird: Vielfalt sichert Zukunft! ‚Eine homogenisierte Menschehit setzt alles auf eine Karte, eine in unterschiedliche Rassen, Völker, Religionen, Kulturen, Wirtschaftsräume usw. gegliederte Menschheit hat hingegen viele Eisen im Feuer‘ (H. Schleiß: 22 Thesen zum Rassismus, in: Krebs, P. (Hrsg.): Mars Utor 2006, Kassel 2005, S. 312ff., S. 348).“ (ebd.: 12f.)

Zur Interpretation der Rede Höckes im IfS wäre die Klärung wichtig, ob Höcke bereits 2012 den Artikel unter dem Pseudonym „Landolf Ladig“ zu verantworten hat.

8 Kommentare

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  1. Markierungen 12/16/2015 - Snippets linked to this post.
  2. Lars

    Wenn an diesem Menschen etwas verwerflich ist, dann bin ich der Osterhase.

    MFG

    der Osterhase

  3. Telipinu Hatti

    Selbst Höckes „populationsökologische Brille“ basiert auf falschen Informationen. Die Weltbevölkerung wächst nicht exponentiell, sondern nur linear, jedenfalls seit den 60ern. Wir haben stabil eine Milliarde Zuwachs alle zwölf Jahre. Malthus ist damit widerlegt. Wir können das Problem also in den Griff bekommen!

    Höckes Lösungen sind bestenfalls unbrauchbar. Wenn Herr Höcke wirklich etwas gegen die Überbevölkerung in Afrika tun will, soll er lieber dafür sorgen, dass die Industrieländer 2% ihres BIP für Entwicklungshilfe ausgeben, und das wäre immer noch weniger als die 2,5-10%, die der Islam in seiner 3. Säule fordert, von den Forderungen des Christentums mal ganz abgesehen (was Du dem geringsten meiner Brüder tust, das tust Du mir). Wie viele Bildungspatenschaften haben AfD-Funktionäre übernommen? Wo engagieren sie sich, um die Not vor Ort zu lindern?

    • Andreas Kemper

      Die „Libertäre Alternative“ von Sven Tritschler in der AfD fordert die komplette Streichung der staatlichen Entwicklungshilfe.

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