Poggenburgs „Deutschland den Deutschen“

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André Poggenburg, AfD-Chef in Sachsen-Anhalt, meint nun nach seinen Äußerungen zur „Volksgemeinschaft“ und „Wucherungen am deutschen Volkskörper“ auch die Nazi-Parole „Deutschland den Deutschen“ „normalisieren“ zu müssen. Tatsächlich stellt sich Poggenburg damit in eine antisemitische, antidemokratische und rassistische Tradition. Genau vor 25 Jahren, im Sommer 1992 machten Nazis unter der Parole „Deutschland den Deutschen!“ in Rostock Jagd auf 120 Vietnames*innen und versuchten sie zu verbrennen.

Poggenburg Deutschland den deutschen

Gespielte Dämlichkeit: „warum soll das nicht auch für Deutschland legitim sein?“

„Deutschland den Deutschen! Juden in Schutzhaft!“

Vor einhundert Jahren, im Oktober 1919, hatte sich der antidemokratische und antisemitische „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund“ gegründet. Die Parole dieser Organisation lautete „Deutschland den Deutschen!“ Sie ging vor allem gegen Juden vor:

„Nehmt Juden in Schutzhaft, dann herrscht Ruhe im Land. Juden hetzen zum Spartakismus. Juden wiegeln das Volk auf. Juden verhindern, daß Deutsche sich verständigen. Juden drängen sich überall an die Spitze. Juden wuchern mit Lebensmitteln. Juden verschieben Heereswäsche nach Polen. Darum: Fort mit den jüdischen Unruhestiftern! Deutschland den Deutschen!“ (Deutscher Schutz- und Trutzbund, 24.03.1920)

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Deutscher Schutz- und Trutz-Bund: „Deutschland den Deutschen“

Nach dem Verbot des Deutschvölkischen Schutz und Trutzbundes gingen zahlreiche Mitglieder in die NSDAP.  Die Parole „Deutschland den Deutschen“ wurde mit dem sogenannten „Madagaskarplan“ verbunden, der die Deportation der Juden und Jüdinnen nach Madagaskar vorsah. Viele Expert*innen gehen heute davon aus, dass der Madagaskarplan von vornherein nur ein Metapher gewesen sei, Hitler hatte ja bereits sehr früh die Shoah angekündigt. „Deutschland den Deutschen“ war gekoppelt an einer Vorstellung eines „judenfreies“ Deutschland.

Seit mindestens vierzig Jahren: „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“

In den 1980 Jahren stand die Parolen für die ausländer*innenfeindliche Haltung der NPD und anderer neonazistischer Organisationen. Sie lautete nun „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“. Alle, die gegen Naziaufmärsche protestiert haben, klingt diese Doppelparole in den Ohren. „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“ ist seit mindestens vierzig Jahren die Parole bei Naziaufmärschen.

Ausländer raus

Spiegel 38/1980: „Rechtsradikale Politiker kobern Wähler mit Deutschland-den-Deutschen-Sprüchen“

 

Vor 25 Jahren: „Deutschland den Deutschen“ in Rostock-Lichtenhagen

Man muss aber nicht gegen Naziaufmärsche demonstriert haben, um diese Parolen zu kennen. Allen Menschen, die ziemlich genau vor fünfundzwanzig Jahren im Sommer 1992 die Tagesschau einschalteten, wurden mit dieser Parole konfrontiert. Unter den Rufen „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“ wurde in Rostock-Lichtenhagen versucht, über einhundert Menschen, zumeist vietnamesischer Herkunft, bei lebendigem Leibe zu verbrennen. Wer heute noch diese Parole bedient, weiß, was er tut.

10 Kommentare

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    • W-Day

      @ Knoth: Poggenburg hat Recht damit, die antisemitische, antidemokratische und rassistische Tradition fortzusetzen zu wollen? Wozu denn? Was hättest du davon?
      Ich verstehe auch die Parole „Deutschland den Deutschen“ nicht. Was soll das denn bedeuten? Deutschland als Sammelbecken vor allem von Menschen mit dt. Pass ist ein völlig souveräner Staat, was soll dann diese merkwürdige Parole?

      • Sebastian Knoth

        Ein Stück Papier macht einen nicht zu einem Deutschen.

        Ich will das endlich wieder ein Rechtsstaat herrscht wo vor dem Gesetz alle gleich sind.

      • Andreas Kemper

        Ihre zwei Sätze sind widersprüchlich.

    • W-Day

      @Knoth: Du machst einen Unterschied zw. dt. Staatsangehörigkeit und Deutsch sein? Wenn ich mir die Vorstellungswelt von Rechtsradikalen vor Augen führe, dürften demnach ja ganz viele „Bio-Deutsche“ mit von Geburt an dt. Papieren und zig dt. Vorfahren keine „Deutsche“ nach rechtsradikaler Definition sein. Wozu dann dein Ruf nach Rechtstaat? Du willst doch das Gegenteil.

      • Sebastian Knoth

        „Wenn ich mir die Vorstellungswelt von Rechtsradikalen vor Augen führe, dürften demnach ja ganz viele „Bio-Deutsche“ mit von Geburt an dt. Papieren und zig dt. Vorfahren keine „Deutsche“ nach rechtsradikaler Definition sein“

        Heute gibt es ein anderes Staatsbürgerrecht als zur der Zeit in der die meisten Papiere von „Biodeutschen“ ausgestellt wurden. Ich hatte diesen Absatz erst gar nicht verstanden weil er erst scheinbar keinen Sinn für mich machte.

        Lustigerweise gilt in Deutschland heute -laut Wikipedia- immer noch der Ariernachweis als gültiges Dokument zum Nachweis das man Deutscher bzw. deutscher Staatsangehöriger ist.

        https://de.wikipedia.org/wiki/Ariernachweis#Rechtliche_Bedeutung_heute

        Dieser Nachweis kommt ja aus einem völlig anderen Rechtssystem und ist trotzdem heute noch gültig obwohl man die Nürnberger Gesetze die zu diesen Nachweisen führten als Unrecht anerkennt. Das ist irgendwie ziemlich seltsam.

        Von meinen Großeltern her gesehen bin ich nur 1/4 deutsch, ich würde keinen Ariernachweis bekommen 😉

  1. Fritz Scholl

    Ich unterstütze Poggenburg in dieser Forderung!

    • Andreas Kemper

      Dann sind entweder genauso dämlich oder genau so ein antisemitischer Rassist wie Poggenburg.

  2. Günther Koller

    Den Slogan von seinen historischen Zusätzen zu befreien, ist in Wahrheit nichts als ein Vertuschungsmanöver. Keine Frage.

    Beiläufig könnten historisch nicht ganz Unbedarfte sogar an der Auswahl der Völker Anstoß nehmen, mit denen Poggenburg und Meuthen in rhetorischer Absicht „die Deutschen“ ersetzt haben, um den dummen Spruch aufzuwerten. Während Poggenburg in Facebook den Franzosen und Türken ihre Länder zuwies, entschied sich Meuthen dort am 23.Juni großzügig für die Italiener, Spanier und Letten.

    Nach diesem Vergleich der beiden AfD-Granden könnte man die Frage aufwerfen, ob Meuthen nicht Poggenburg klammheimlich rechts überholt hat. Nicht auszuschließen auch, dass der historische Sinn des Wirtschaftsprofessors für einen Moment kollabiert ist.

    Wie auch immer sich das verhält – es bleibt relativ unproblematisch. Es fällt nicht weiter auf.

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