In einem letzten Auftritt vor der Bundestagswahl macht die AfD mehr als deutlich, wohin die Reise gehen soll. Jörn Kruse (wiss. Beirat und Sprecher des LV Hamburg der AfD) stellte erste Ergebnisse der Programmkommission zur Demokratie. Danach solle künftig der oder die Bundeskanzler*in direkt gewählt werden, ebenso die Ministerpräsident*innen. Weiter heißt es: „Künftig sollten die Wähler aus allen Kandidaten der Parteien und Unabhängigen einzelne Kandidaten auswählen können“. Ebenso solle der Einfluss der gewählten Parteien bei der Besetzung gesellschaftlich wichtiger Ämter (Bundesverfassungsgericht, öffentlich-rechtlicher Rundfunk) abgebaut werden – das klingt nur so lange gut, wenn der Einfluss nicht gewählter Organisationen unerwähnt bleibt. Neben Jörn Kruse, der auf der Website der Uni Hamburg sein unternehmerfreundliches Mehrkammer-System als Alternative zum Parlamanterismus preist, nahmen in Berlin Hans-Olaf Henkel, Dagmar Metzger, Joachim Starbatty und Charles Blankart an der Veranstaltung teil. Hans-Olaf Henkel ergänzte vor kurzem das Bestreben, die Parteiendemokratie abzubauen, mit dem Vorschlag, die Parteienstiftungen zurückzufahren. Auch hier wurde verschwiegen, wer denn die Parteienstiftungen ersetzen soll. Bereits jetzt konkurrieren unternehmernahe Stiftungen aus der Wirtschaft mit Parteienstiftungen. Studierende müssten sich vermehrt um Stipendien aus Unternehmensstiftungen bemühen, wenn es keine Parteienstiftungen mehr gäbe. Praktischerweise saß gleich ein Stiftungsvorstand mit auf dem Podium, nämlich Charles Blankarts, Vorstand des Instituts für unternehmerische Freiheit.
Besonders problematisch war eine Äußerung des libertären Hayekaners Charles Blankarts: „Weimar ist nicht an der direkten Demokratie gescheitert, sondern an der parlamentarischen Demokratie, als die Reichstagsmehrheit am 23. März 1933 Hitlers Ermächtigungsgesetz billigte“. Tatsächlich verstanden sich die Nazis als Vertreter der als germanisch interpretierten Direkten Demokratie und sie bekämpften den als jüdisch bezeichneten Parteien-Parlamentarismus. Mit einem Volksbegehren konnte der Nationalsozialismus einen ersten Sieg erringen. Deshalb drangen die Allierten nach der Befreiung vom Nationalsozialismus auf eine starke Parteien-Demokratie jenseits von Volk-Führer-Strukturen, was Heinemann damals ausdrücklich bekräftigte. Dies will die AfD nun beiseite schieben. Blankarts ist Mitglied der an Hayek orientierten Mont-Pelerin-Gesellschaft. Diese gibt sich marktlibertär, aber es ist kein Zufall, dass Hayeks Ideen für unternehmernahe und demokratiefeindliche Regime unter Ronald Reagan, Margret Thatcher und Augusto Pinochet eine wichtige Rolle spielten. Die Äußerung Blankarts zum Scheitern Weimars an der parlamentarischen Demokratie findet sich bereits in einem Papier der AfD-Berlin zur Direkten Demokratie. Hier finden sich auch Äußerungen wie “Jede Demokratie ist so zu organisieren, dass die Nutznießerkreise mit den Entscheidungsträgerkreisen und den Steuerzahlerkreisen übereinstimmen”. Anders gesagt, der Einfluss der “Steuerzahlerkreise” soll erhöht werden. Da die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird, die Hälfte der Bevölkerung über kein Vermögen mehr verfügt, bedeutet der Ausbau der politischen Entscheidungsmacht der “Steuerzahlerkreise”, dass die Finanzschwachen auch an Entscheidungsmacht ärmer werden.