Hintergründe zur Wahlalternative 2013

Die Welt berichte am 4.10.2012 über die Gründung der Wahlalternative 2013 u.a. durch konservative CDUler, die im Bundestagswahlkampf 2013 vor allem zur Wahl der Freien Wähler aufrufen. Die Namen der Gründungsmitglieder tauchen allerdings schon seit langem in verschiedenen Aufrufen und Organisationen auf.

ESM, direkte Demokratie und Rechtspopulismus

An dieser Stelle sollen drei Initiativen vorgestellt werden, die auf ihre Fahnen Direkte Demokratie und Kritik am Europäischen Rettungsschirm (ESM) geschrieben haben, tatsächlich aber für einen unternehmerfreundlichen Rechtspopulismus eintreten: der Konvent für Deutschland, das Freie Welt-Netzwerk und die Partei Freie Wähler. Der Artikel wurde für den Westfälischen Okkupierer geschrieben, der Zeitung der münsteraner Occupy-Bewegung, bevor die Wahlalternative 2013 bekannt war. Der WOK erscheint in den nächsten Tagen und sucht noch dringend finanzielle Unterstützung.

Konvent für Deutschland

Der Konvent für Deutschland ist ein Honoratioren-Netzwerk, ihn als „eine Art Think-Tank für Politpensionäre“ (SZ) zu verstehen, könnte eine Unterschätzung sein. Gründer des Konvents waren u.a. Roland Berger und Hans-Olaf Henkel. Das Ziel dieses Konvents besteht in der „Reform der Reformfähigkeit“. Dass der Begriff „Reform“ schon lange nicht mehr für Fortschritt steht, sondern für Sozialabbau, scheint auf den ersten Blick nicht für den Konvent für Deutschland zu gelten. Die Aussagen sind dort sehr vage gehalten und es fallen die vielen bekannten SPD-Größen auf, sowie die Plädoyers für „Direkte Demokratie“. Als Sarrazin allerdings seine rassistischen und eugenischen Thesen in „Deutschland schafft sich ab“ äußerte, erhielt er vor allem aus dem Konvent für Deutschland Rückendeckung, bspw. von Ex-BDI-Vorsitzendem Hans-Olaf Henkel, von Klaus von Dohnanyi, der mit dem Argument „soziale Rassen“ Sarrazin verteidigte und von Oswald Metzger, der nach abwertenden Äußerungen über Arbeitslose bei den GRÜNEN herausgeflogen ist. In einem Interview für die extrem rechte Junge Freiheit äußerte er: „Während viele politisch korrekte Meinungsbildner mit Empörung auf Sarrazins Fundamentalkritik an der gescheiterten Integrationspolitik reagieren, die SPD-Spitze ihn rausschmeißen möchte und die Staatsspitze – von der Kanzlerin bis zum Bundespräsidenten – die Bundesbank erfolgreich zur Entfernung des Übeltäters aus dem Vorstand aufforderten, ist sich das gemeine Volk einig: ‘Der Mann sagt die Wahrheit und wird dafür abgestraft!’“. Dies ist eine typisch rechtspopulistische Aussage und der Konvent für Deutschland möchte gerne den Populismus in Direktwahlen umsetzen, in der Weise, dass „das Volk“ direkt seine Landes- und Bundespräsidenten wählt, also eine Politik des starken Mannes, die auch „Bonapartismus“ genannt wird.
Thomas Wagner hat vor kurzem eine Analyse zu den Honoratioren-Netzwerken wie dem Konvent für Deutschland und Hans-Olaf Henkel herausgebracht. In “Demokratie als Mogelpackung” kritisiert er den als “sanften Bonapartismus” bezeichneten “Direkte Demokratie”-Ansatz. Es ginge darum, die demokratische Willensbildung zu reduzieren. Der Bonapartismus stellt sich dar als Direkte Demokratie, dient aber dem Ausschalten von Parteien, insbesondere dem Ausschalten der Parei Die Linke. Dass Direkte Demokratie ein Problem sein kann, zeigt der Hamburger Volksentscheid zur Bildungsreform, wo die Wahlbeteiligung sich in der Armutsverteilung spiegelte: die Reichen wählten, die Armen nicht.
Der aktivste bekannte Vertreter dieser Gruppe ist der ehemalige Vorsitzende des Bundesverbandes der Industrie, BdI, Hans-Olaf Henkel. Die beiden Hauptpunkte “Direktwahlen”/ „Direkte Wahlen von Präsidenten“ und “ESM-Kritik”, die wirtschaftliche Trennung in ein Nord- und ein Südeuropa, sind sein Programm und die Freien Wähler haben es willig übernommen. Am 11.09. gab der Konvent eine entsprechende Pressemitteilung heraus, dass Europa nicht scheitere, wenn der Euro scheitert. Michael Scheithauer vom Konvent für Deutschland fordert auf der Homepage zudem die Direktwahl des Bundespräsidenten als erste Maßnahme gegen den „Parteienstaat“. Er plädiert dafür, dass man die Kompetenzen des Bundespräsidenten erhöhen müsste, z.B. indem er leichter Gesetze ablehnen und das Parlament auflösen kann.
Die Euro-Kritik Henkels traf sich mit der Politik des “Freie-Welt-Netzwerk”.

Freie-Welt-Netzwerk

Das Freie-Welt-Netzwerk ist ein rechtskonservatives Netzwerk von Internetpräsenzen, in dessen Zentrum das Ehepaar Sven von Storch und Beatrix von Storch stehen. Zu diesem Netzwerk zählen u.a. Die Freie Welt, Bürgerconvent e.V., Institut für strategische Studien Berlin ISSB, AbgeordnetenCheck.de und Zivile Koalition.
Kennengelernt haben sich die beiden Adeligen, als Sven von Storch die Rückgabe der enteigneten Adelsgüter durch die Sowjetunion einforderte. Das Freie-Welt-Netzwerk ist ein Äquivalent zur us-amerikanischen Tea-Party-Bewegung: sehr rückschrittlich in der Familienpolitik, gegen eine Besteuerung von Reichen, gegen Gleichstellungsgesetze: „Eine Bundesregierung, die im ersten Jahr ihrer Amtszeit bürokratische Monstren wie die Reichensteuer und das sog. „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“ einführt, ist nicht mehr ernstzunehmen.“ Die Strategie des Netzwerkes: „Wir wollen zusammen mit Ihnen eine Kraft bilden, die das Interesse des zivilen Lagers vertritt und dazu in einem ersten Schritt eine Kernbasis von 80.000 bis 100.000 Menschen und deren Familien vereinigen“
Im September 2011 führte die Zivile Koalition von Beatrix von Storch eine Podiumsdiskussion gegen den ESM durch. Anwesend waren Frau Ostermann vom Bundesverband Junger Unternehmer, der Euro-Kläger K.A. Schachtschneider, der ehem. BDI-Chef Hans-Olaf Henkel sowie die Euro-Dissidenten Frank Schäffler (MdB FDP) und Klaus Peter Willsch (MdB CDU). Schachtschneider, Henkel und Beatrix von Storch sprachen sich für eine neue Partei aus. Schachtschneider war bereits Gründungsmitglied des rechtspopulistischen Bund freier Bürger.
Die Zivile Koalition startete Anfang 2012 eine „Wahlkreis-Aktion“ gegen den ESM. Zu der Kampagne gegen den ESM gehörte auch der Südkongress der Zivilen Koaltion unter dem Titel: „ESM-Vertrag – der Weg in die Schulden- und Inflationsunion? Entdemokratisierung Europas?“ Anwesend waren der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, der europapolitische Sprecher der bayerischen FDP-Landtagsfraktion Thomas Dechant, der Staatsrechtslehrer Hans Herbert von Arnim und die Vorsitzende der Zivilen Koalition Beatrix von Storch. Sowohl Abgeordneten-check.de, als auch die extrem rechte Wochenzeitung Junge Freiheit berichteten wohlwollend von dem Kongress.
Auf der Homepage des Landesverbandes der Freien Wähler NRW wurde der Junge Freiheit-Artikel vollständig und ohne Distanzierung abgedruckt. Seither hat die Zivile Koalition eine Reihe von Demonstrationen gegen ESM mit organisiert, auf denen Beatrix von Storch als Rednerin auftrat.

Exkurs: Die Erklärungen der Ökonomie-Professoren
Hamburger Appell, Bogenberger Erklärung, Bündnis Bürgerwille, Plenum der Ökonomen

Der Hamburger Appell wurde 2005 von der „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall verbreitet (Roland Berger, Klaus von Dohnanyi, Oswald Metzger, Wolfgang Clement, Karl-Heinz Paqué waren/ sind sowohl für den Konvent für Deutschland als auch für die INSM tätig). Er richtete sich gegen die 2005 in Regierungskreisen erwogenen Lohnerhöhungen. Dort heißt es:

Die unangenehme Wahrheit besteht deshalb darin, dass eine Verbesserung der Arbeitsmarktlage nur durch niedrigere Entlohnung der ohnehin schon Geringverdienenden, also durch eine verstärkte Lohnspreizung, möglich sein wird. Eine Abfederung dieser Entwicklung ist durch verlängerte Arbeitszeiten, verminderten Urlaubsanspruch oder höhere Leistungsbereitschaft möglich.

Initiiert wurde der Hamburger Appell unter anderem von Bernd Lucke, der fünf Jahre später das Plenum der Ökonomen gründete, aus dessen Umfeld die „Stellungnahme zur Europäischen Bankenunion“ im Juli 2012 hervorging. Mitunterzeichner waren Hans-Werner Sinn, Hans-Olaf Henkel und Dirk Meyer.
Der bereits erwähnte ( siehe Konvent für Deutschland) Roland Berger vom Kuratoratorium der ifo-Freundesgesellschaft und Hans-Werner Sinn vom Vorstands des ifo Instituts entwarfen im Oktober 2011 in einer gemeinsamen Strategiesitzung in Bogenberg eine gemeinsame Erklärung, die sie Angela Merkel zum bevorstehen EU-Gipfel sandten. Zwei Punkte der Erklärung machen deutlich, dass die Erklärung sich wie zuvor der Hamburger Appell gegen Lohnerhöhungen richtet, gleichzeitig aber zu Reformen der „Lohnflexibilität“ rät: (Punkt 16):

Die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde hatte ja schon im letzten Jahr gefordert, dass Deutschland seine Löhne erhöhen möge, um so seine Wettbewerbsfähigkeit zugunsten seiner Wettbewerber zu verschlechtern. […] Wir lehnen diese Überlegungen ab. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Staates, in die Preis und Lohnstrukturen der Marktwirtschaft einzugreifen […]

Im Maßnahmen-Katalog heißt es stattdessen (Punkt 17 Maßnahme e):

Die EU sollte den bedrängten Ländern bei der Überwindung ihrer Wettbewerbsprobleme helfen und ihnen Perspektiven für eine wirtschaftliche Gesundung eröffnen. Dazu gehören Hilfen für den Aufbau einer Steuerverwaltung und eines funktionierenden Rechtssystems genauso wie Maßnahmen, die die jeweiligen Regierungen dabei unterstützen, Staatsvermögen zu privatisieren und Reformen zur Erhöhung der Lohn- und Preisflexibilität durchzusetzen.

Die verschwurbelte Formulierung “Reformen zur Erhöhung der Lohn- und Preisflexibilität” heißt hier nicht Erhöhung des Lohns, sondern das genaue Gegenteil.
Die Bogenberger Erklärung war die inhaltliche Grundlage des Bündnis Bürgerwille. Dieses Bündnis verknüpft die Forderung nach „direkter Demokratie“ im Sinne des Bonapartismus mit der Kritik am Euro-Rettungsschirm. Hans-Olaf Henkel war Erstunterzeichner des Bündnis Bürgerwille. Aber es finden sich auch eine ganze Reihe der Wirtschaftsprofessoren wieder, die die obigen Erklärungen unterschrieben haben, wie zum Beispiel Bernd Lucke oder der Münsteraner Wirtschafts-Professor Ulrich van Suntum. Mit dabei ist allerdings auch Beatrix von Storch von der Zivilen Koalition. Zu den Unterzeichnern gehört auch Prof. Degenhart, der in Zusammenarbeit mit Mehr Demokratie e.V. das Memorandum für die Verfassungsbeschwerde gegen ESM-Vertrag und Fiskalvertrag verfasst hat. Zu den Unterstützern der Verfassungsbeschwerde gehören neben der Piratenpartei, der ÖDP, dem Bund der Steuerzahler auch Bernd Lucke, das Bündnis Bürgerwille und die Freien Wähler.

Partei Freie Wähler

Die Freien Wähler waren ursprünglich ein Zusammenschluss von Wählervereinigungen auf kommunaler Ebene. In Münster zählt beispielsweise die Unabhängige Wählergemeinschaft UWG dazu.
Diese Gemeinschaft von Wählervereinigungen wurde allerdings innerhalb weniger Jahren in eine Bundespartei umgeformt, die nicht weit von rechtspopulistischen Positionen entfernt ist. Entscheidend war eine Bundedelegiertenversammlung an der Hans-Olaf Henkel teilnahm. Björn Hengst von Spiegel-Online schrieb hierzu:

Der frühere Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) wird für die Freien Wähler nicht nur eine Rede im Gepäck haben, sondern auch einen Programmentwurf. Darin spricht sich der 68-Jährige unter anderem für eine deutliche Ausweitung von Volksbefragungen und Volksinitiativen sowie für eine Direktwahl des Bundespräsidenten aus.
Den Freien Wählern will Henkel empfehlen, nicht nur bei der Europawahl im Juni, sondern auch bei der Bundestagswahl im September anzutreten. Es gehe darum, „die Übermacht der Parteien zu knacken“, sagte Henkel SPIEGEL ONLINE. In keiner anderen Demokratie der Welt sei die „Parteienmacht so weit ausgeufert wie in Deutschland“.

Dem SPIEGEL-Artikel zufolge hätten die Freien Wähler auch gerne den Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim in ihre Partei geholt. Hans Herbert von Arnim wird in Thomas Wagners Analyse „Demokratie als Mogelpackung“ mehrfach kritisch erwähnt. Kurz nach dem Erscheinen der lesenswerten Analyse fand die 13. Demokratietagung, die von Arnim im Oktober 2011 leitete, an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer statt. Diese Hochschule ist die deutsche Kaderschmiede für Staatsbeamte, an der Thilo Sarrazin einen Lehrauftrag hat und zu deren Präsidenten auch Roman Herzog zählte. Während der Tagung referierten u.a. von Arnim, Hans-Olaf Henkel und Thilo Sarrazin über Möglichkeiten des Widerstandes. Anwesend war auch eine Fraktion der sächsischen NPD, die eifrig mit diskutierten und ebenfalls fanden, dass gegen die EU-Politik nun nur noch Widerstand helfe.
Aiwanger stützt sich auf das von Hans-Olaf Henkel entwickelte und von Dirk Meyer weiterentwickelte Modell der Nord-Süd-Teilung Europas. Meyer gehört ebenfalls zu den Unterzeichnern des „Hamburger Appells“ von Wirtschaftswissenschaftlern.
Der Bundesverband der Freien Wähler beteiligte sich an der Kampagne “Klappt die Rettungsschirme zu” und forderte “Rettet Deutschland und Europa vor den Rettungsschirmen – Stop ESM!” Auf den Seiten der Freien Wähler heißt es:

Scharf kritisieren Freie Wähler auch die undemokratische Konstruktion der Rettungsschirme.Freie Wähler unterstützen den Aufruf des Vereins “Mehr Demokratie” zur Einleitung von Volksentscheiden über den EURO-Rettungsschirm (ESM-Vertrag) und den Fiskalvertrag […]. Außerdem stellen sich Freie Wähler hinter das unabhängige “Bündnis Bürgerwille”, das gemeinsam mit dem Bund der Steuerzahler 100.000 Unterschriften sammelt […].

Aiwanger zeigte sich verwundert darüber, dass bei diesen Demonstrationen der Freien Wähler Neo-Nazis mitmarschierten und distanzierte sich von ihnen. Derzeit haben die Freien Wähler für die Landtagswahl in Bayern ein Potential von 9 Prozent.

Fazit:

Die Kopplung von Europa-Kritik mit der Forderung nach Direkter Demokratie ist kaum zu trennen von Interessensgruppen, die massiv für Lohnabbau und rechtskonservative Familien- und Bevölkerungspolitik eintreten. Kritik an der derzeitigen Europa-Politik ist wichtig, es sollte aber deutlich formuliert werden, dass Lohnkürzungen nicht hinnehmbar sind – Soziale Maßnahmen und Lohnerhöhungen sind das Ziel. Eintreten für mehr Demokratie ist ebenfalls wichtig. Diese sollte aber nicht mit Direktwahlen von Personen verwechselt werden, denn das wäre kompatibel mit Populismus bzw. dem Bonapartismus Henkels.

Weiterführende Informationen:

  • Björn Hengst: Ex-BDI-Chef Henkel schreibt Programmentwurf für Freie Wähler, Spiegel-Online vom 12.09.2009
  • Thomas Wagner: Demokratie als Mogelpackung. Oder: Deutschlands sanfter Weg in den Bonapartismus. Köln, Papyrossa 2011
  • und auf der Homepage http://andreaskemper.wordpress.com

15 Kommentare

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  1. Irene (@irene_muc)

    Die Kopplung von Europa-Kritik mit der Forderung nach Direkter Demokratie ist kaum zu trennen von Interessensgruppen, die massiv für Lohnabbau und rechtskonservative Familien- und Bevölkerungspolitik eintreten.

    Wenn es nach diesem verschwörungstheoretisch anmutenden Blogeintrag ginge, wäre auch Herta Däubler-Gmelin Rechtspopulistin. (Ich habe ihre Verfassungsklage mit einer Vollmacht unterstützt.)

    In Bayern kräht übrigens kein Hahn nach Henkel und seinen Pamphleten. Da sitzen die Freien Wähler im Landtag und machen Landespolitik, zum Beispiel gegen die dritte Startbahn.

    Dass du dich in was verrannt hast, weil du halt drauf stehst, eine bestimmte Entwicklung an die Wand zu malen, kannst du beim Thema direkte Demokratie und Studiengebühren erkennen:
    http://www.sueddeutsche.de/bayern/bayern-entscheiden-ueber-studiengebuehren-kuss-fuer-die-verfassung-1.1503118

    • Andreas Kemper

      Das Thema „Direkte Demokratie und Rechtspopulismus“ hat Thomas Wagner ganz gut bearbeitet. Es geht hier um einen „sanften Bonapartismus“. (Thomas Wagner: Demokratie als Mogelpackung)
      Zu den Studiengebühren kann ich Christian Füller bedingt zustimmen, wenn er sagt, dass das kostenlose Studium von der gut verdienenden akademischen Mittelschicht eingefordert wird, weil sie nicht für ihre Kinder Studiengebühren zahlen wollen. Hier passen die Freien Wähler hervorragend rein. Auf der einen Seite ziehen sie gegen Studiengebühren in den Wahlkampf, auf der anderen Seite haben sie in Hamburg extra deshalb einen Landesverband gegründet, um die Primarschule zu verhindern, also für den Erhalt der frühen sozialen Selektion. Einerseits frühe soziale Selektion, andererseits keine Studiengebühren.

      • Irene (@irene_muc)

        Jeder kann einen Landesverband der Freien Wähler gründen. Das ist doch nicht vom Aiwanger gesteuert. Dieses Großbürgertum, auf das du hier anspielst, ist jedenfalls nicht die Wählerschaft der Freien Wähler in Bayern, das ist eher das ländliche Kleinbürgertum.

        In Bayern sind die Freien Wähler in Sachen Bildung irgendwo zwischen CSU und SPD. Die Freien Wähler sind mehr Bottom-up als andere Parteien, und das ergibt nicht immer ideologisch geschlossene Resultate, die du unbedingt sehen willst. Siehe auch Piratenpartei.

        In Bayern sind auch Leute, die vom dreigliedrigen Bildungssystem eher benachteiligt werden, für das dreigliedrige System, weil es in ihre Vorstellungen von Leistungsgerechtigkeit passt und sie stolz sind, dass es ein Teil ihrer Kinder auf die Realschule geschafft hat (was einem Bremer Abitur entspricht). Aber über Bayern kann man ja einfach mal was behaupten, ohne sich damit befasst zu haben – alte Tradition bei norddeutschen Linken. Ich bin ja schon froh, wenn Bayern nicht mit CSU gleichgesetzt und das für ein kritisches Statement gehalten wird 😉

      • Irene (@irene_muc)

        Wenn dich die Freien Wähler so brennend interessieren, warum kommst du dann nicht mal nach Bayern und schaust dir ein paar Veranstaltungen in der Provinz und das Publikum an?

        Das ist keine verkappte Werbung, ich bin nicht bei den Freien Wählern und habe sie bis jetzt auch noch nicht gewählt. Ich verstehe bloß nicht, warum die so viel furchtbarer sein sollen als z.B. Steinbrück.

      • Irene (@irene_muc)

        Freie Wähler Bayern gründen einen Landesverband in Hamburg? Wie? Was haben die für eine komische Satzung? Oder hat man mal telefoniert, um Tipps auszutauschen, und deshalb suggerierst du, dass das bayerische Kleinbürgertum aus verkappten Pfeffesäcken besteht?

        Ich hab nicht viel Vertrauen in diesen hingeschluderten Welt-Artikel, der den Namen des Gründungsvorsitzenden falsch schreibt.

      • Andreas Kemper

        Du meinst, der Landesverband der Freien Wähler in Hamburg ist gegen den Willen der Bundespartei entstanden? Und Aiwanger hat gar nicht mitbekommen, dass sich der Landesverband in Hamburg gegen die Primarschule gegründet hat? Vielleicht sollte man ihn darauf aufmerksam machen 😉

      • Irene

        Du meinst, der Landesverband der Freien Wähler in Hamburg ist gegen den Willen der Bundespartei entstanden?

        Unsinn. Du hattest wegen dieses Welt-Artikels geschrieben, dass die Freien Wähler Hamburg von Bayern aus gegründet wurden, das war nun mal abwegig.

        Die Freien Wähler in Frankfurt sind übrigens so eine Art kommunales Politically Incorrect, daraus kannst du aber auch keine Schlüsse auf irgendwelche FW-Politiker im Münsterland oder Hamburg oder Bayern ableiten. Das sind lokale Süppchen, die gerade deshalb möglich ist, weil die Bundespartei schwach ist.

        Der Witz bei den Freien Wählern ist doch: An der Basis fühlen sie sich teils als außerparteiliche Bewegung, deshalb ist die Bundespolitik nicht wirklich deren Ding. Es gibt Leute bei den Freien Wählern, die sitzem im Gemeinderat und sagen: Ich bin parteifrei! Das ist Rebellion gegen das Parteiensystem, die ja auch ankommt – das wäre eher ein Punkt, an dem man den Populismus der FW dingfest machen kann.

        Hast du dir schon mal den rustikalen Aiwanger auf Youtube angeschaut? Und meinst du ernsthaft, der ist im Hamburger Großbürgertum in Hamburg vermittelbar?

        (Irene ohne Twitter-Login)

      • Andreas Kemper

        Hallo Irene,
        jetzt nähern wir uns argumentativ. Ich denke auch, dass die Freien Wähler vor Ort ein heterogenes Sammelbecken sind. Was nicht heißt, dass es keine Überscneidungen gäbe. Aber aus diesem Sammelbecken wird seit ein paar Jahren eine Partei geschmiedet. Die zentralen Vorgaben dieser Partei stammen von Hans-Olaf Henkel. Vermittelt werden sie vom „rustikalen Aiwanger“. Viele machen da nicht mit, z.B. der Verband BaWü. Aber die erschlagende Mehrheit stimmt diesem Kurs zu. Hinzu kommt jetzt noch das rechtspopulistisch- marktradikale Netzwerk „Wahlalternative 2013“. Sie unterstützen die FW bei der Wahl in Niedersachsen und auf Bundesebene. Und sie fordern dafür entsprechende Spitzenplätze. Und die ehemals freien Freien Wähler spielen da mit.

      • Irene

        Ein Teil des rebellischen Wählerpotenzials wird ja schon durch die Piraten abgeschöpft. Und die Piraten zeigen (zusammen mit Obama), dass Change-Rebellen aller Lager am Ende auch nur Politik machen und nicht zaubern können. Bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein sind die Freien Wähler von 1,5 auf 0,6 gesunken. Am erfrischenden Wolfgang Kubicki alleine kann es nicht liegen, der ist schon länger in der Landespolitik.

        Wenn eine FW-Wahlalternative im Bund mit großen Sprüchen auf 2 oder 3 % kommt und dumm dasteht, könnte das ja auch den indirekten Effekt haben, dass es den Arbeitnehmerflügel in der CDU stärkt, und irgendwelche Sozialliberalen in der FDP.

  2. Irene (@irene_muc)

    Nachtrag: Die Kandidatur der Freien Wähler für den Bundestag ist an der Basis sehr umstritten, wie du auch in der Wikipedia nachlesen kannst: http://de.wikipedia.org/wiki/Hubert_Aiwanger

    Ich würde die Freien Wähler Bayern ja noch am ehesten mit der Schweiz und dem dortigen Selbstverständnis vergleichen.

    • Irene (@irene_muc)

      Bisher noch nix passiert, oder?

      Die Brisanz der Mollath-Geschichte haben die FW Bayern aber schneller erfasst als Grüne und SPD. Vielleicht werden das die neuen Liberalen.

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