Hier eine kurze Darstellung des Artikels “Krisen, Chancen und Auftrag” eines Autoren, der verdeckt unter dem Namen “Landolf Ladig” in der national-völkischen Zeitschrift “Volk in Bewegung” (Ausgabe 5, 2011), herausgegeben vom stellvertretenden NPD-Vorsitzenden und Neonazi Thorsten Heise, erschien.
Einleitung
Der Artikel basiert auf einem Leserbrief von Björn Höcke aus dem Jahr 2008. Höcke hatte sich in einem Leserbrief an die neurechte Junge Freiheit gewandt und für einen “Dritten Weg” jenseits von Kapitalismus und Kommunismus plädiert. Dieser Leserbrief findet sich fragmentiert und plagiiert im Artikel von “Landolf Ladig” wieder.
Der Artikel beginnt mit einer Empfehlung des Buches “Der deutsche Genius” von Peter Watson. Fälschlicherweise wird dieses Buch mit “opus magnum ‘Genius der Deutschen'” vorgestellt. Björn Höcke macht Jahre später als AfD-Politiker den selber Fehler und stellt dieses Buch als “opus magnum ‘Genius der Deutschen'” vor.
Der Artikel ist entsprechend des Titels in drei Abschnitte eingeteilt: Deutsche Ideenschmiede, Krise als Chance, Auftrag
“Deutsche Ideenschmiede”
Ladig bezeichnet Deutschland als “europäisches Kraftzentrum”, als “Ideenschmiede”. Diese Ideenschmiede mit ihrem “Fleiß” und ihrer “Formbestimmtheit” führten bei fremden Mächten zu Neid, der dann in der Zerschlagung des “Kraftzentrums” mündete. Zitat S. 6, Mittelspalte oben: “Das europäische Kraftzentrum entwickelte
sich so prächtig, daß die etablierten Machtzentren sich gezwungen sahen, zwei ökonomische Präventivkriege gegen das Deutsche Reich zu führen.” Das heißt, der Nationalsozialismus wird hier eindeutig als prächtige Entwicklung verherrlicht. Im nächsten Satz wird die NS-Wirtschaftspolitik als “erste Antiglobalisierungsbewegung” bezeichnet, womit der Antisemitismus noch einmal deutlicher wird. Die NS-Wirtschaftspolitik basierte ideologisch auf der Vorstellung eines jüdisch dominierten Finanzkapitalismus, den es zu durchbrechen gelten (“Zinsknechtschaft brechen”). “Staatlich etablierte” “Antiglobalisierungsbewegung” im Nationalsozialismus meint hier mindestens die antisemitische Bewegung mit den Zwangsenteignungen der Juden und Jüdinnen der 1930er Jahre und den damit einhergehenden ersten antisemitischen Pogromen und Inhaftierungen – “staatlich organisierte Antiglobalisierungsbewegung im Nationalsozialismus” kann aber auch als euphemistische Umschreibung der Shoa gelesen werden.
Im folgenden Abschnitt wird betont, dass es noch immer eine Gruppe gibt, die an dieser Ideenschmiede festhalten und anknüpfen will. Trotz der Zerschlagung des “Deutschen Reiches” als “prächtiges” “europäisches Kraftzentrums” durch den Zweiten Weltkriegs gäbe es daher Hoffnung: “Trotz der beinahe totalen Zerschlagung des europäischen Zentrums ist hier die Glut immer noch nicht erloschen. Eine kleine politische Avantgarde existiert, die in der Lage ist, dieser Welt den Weg aus der kapitalistischen Sackgasse zu weisen.” (S. 6, Mittelspalte, zweiter Abschnitt)
Krisen und Chancen
Auf den folgenden Seiten wird dann eine Entwicklung skizziert, die in dem Satz enden, es gäbe in Zukunft viele Krisen, die sich gegenseitig aufpotenzieren würden, sich “aufpotenzierte Krisendynamiken” (S. 7, linke Spalte, erster Abschnitt). Unsere Welt sei engmaschig vernetzt und “Perturbationen” würden sich rasend schnell ausbreiten. Die einzige im Internet auffindbare Stelle, in der ebenfalls von “aufpotenzierenden Krisendynamiken” die Rede ist, ist ein Vortrag von Björn Höcke während des Kyffhäusertreffens “seines” völkischen “Flügels” 2016. Und Höcke benutzt zudem die eher seltene Bezeichnung “Perturbationen”. Das heißt, Höcke (und anscheinend nur Höcke) teilt mit Ladig den strategischen Begriff “aufpotenzierende Krisendynamiken”, der auf eine unabdingbare Revolution hindeutet. Entsprechend heißt es bei Ladig: Es “wird eine politische Revolution denkbar.” (S. 9, linke Spalte Mitte)
Diese Revolution ist die Chance für die “kleine politische Avantgarde”, die Ladig als verbliebene “Glut” des nationalsozialistischen “Kraftzentrums” beschreibt.
Auftrag
Der Auftrag bestehe nun für die “identitäre Systemoppostion”, die “kleine politische Avantgarde”, darin, sich auf den “politischen Führungsanspruch” vorzubereiten, der durch die Chance der “politischen Revolution” gegeben ist. Sie müsse sich in die “Tradition der deutschen Ideenschmiede” (s.o.) stellen. (S. 9, linke Spalte unten)
Fazit
Landolf Ladig empfiehlt in einer einschlägigen neonazistischen Zeitschrift, eine “identitäre Systemopposition” solle sich als “politische Avantgarde” im Sinne der “prächtigen Entwicklung des Dritten Reiches” auf die kommende Revolution vorbereiten, um ihren “Führungsanspruch” durchzusetzen.
Alle Indizien deuten darauf hin, dass Höcke dieser Ladig ist – es gibt keine anderen auch nur annähernd plausible Erklärungen für die Vielzahl von Überzufälligkeiten in der Causa Höcke und Ladig.
Selbst wenn Höcke nicht Ladig sein sollte, was ich für ausgeschlossen halte, selbst dann müssen wir aber Folgendes zur Kenntnis nehmen:
- Höcke hat sich 2013 mit einer Rede als Bundestagskandidat der AfD nominieren lassen, die aus Versatzstücken des Ladig-Textes aus dem Jahr 2012 bestand.
- Höcke benutzt den zentralen Begriff “aufpotenzierte Krisendynamiken” von Landolf Ladig, mit dem Ladig auf die bevorstehende Revolution hinweisen will. Und nur Höcke benutzt öffentlich diesen strategischen Begriff.
- Höcke benutzt für seine wirtschaftliche Utopie den Begriff von Landolf Ladig “organische Marktwirtschaft”. Ladig kennzeichnet seine Vision einer modernisierten NS-Wirtschaftspolitik mit dem Begriff “organische Marktwirtschaft”. Eine Internetsuchabfrage hatte 2015 nur einen Text ausgegeben, in dem ebenfalls die Vision einer “organischen Marktwirtschaft” propagiert wird, einen Text von Björn Höcke.
Selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass Höcke nicht Ladig sein sollte, würde weiterhin alles darauf hindeuten, dass Höcke die Agenda von Ladig verfolgt.
So oder so, wir müssen in Betracht ziehen, dass Höcke eine Revolution im Sinne des Nationalsozialismus plant.
Günther Koller
Gut möglich, dass der Artikel mit der neuesten Aktion des Zentrums für Politische Schönheit korrespondiert.
Trotzdem ist zu befürchten, dass Höcke auch diese erneuten Versuche, seine Neonazivergangenheit ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen, politisch überleben wird
.
Obwohl die Beweislast erdrückend scheint, muss ihn das nicht jucken.
Es gibt schließlich diverse Gründe dafür, dass er sich in Sicherheit wiegen kann:
– Vor Begrifflichkeiten wie “sich aufpotenzierten Krisendynamiken” schrecken weite Teile der als ansprechbar in Frage kommenden Öffentlichkeit reflexartig zurück.
– Der “deutsche Genius” scheint den Anzusprechenden eine Selbstverständlichkeit zu sein, die sie ungern spitzfindigen Betrachtungen ausgesetzt sehen möchten – und seien diese noch so erhellend.
– Und wenn die Rede auf einen “Dritten Weg” kommt, dann klingt das gar nicht so unangenehm in den Ohren von vielen, ohne dass sie deshalb gleich darauf abfahren wollten. Von dem tiefbraunen dritten Weg der anderen Art, dem III.Weg, weiß die Allgemeinheit nichts oder nur so viel, dass sie nichts damit zu tun haben möchte.