Innerhalb einer Woche zeigte die Alternative für Deutschland auf ihrer Facebook-Seite, dass sie mehr drauf hat als nur Anti-Euro: Zwischen dem 9. und 13. Juli gab es eine Reihe von offiziellen Postings zu den Themengebieten Gender/Feminismus, Energiepolitik/Ökologie und Migration/Rassismus, die keine Frage offen lässt. Hier eine kleine Dokumentation:
- 9. Juli 2013: „Überall wird gegendert, was das Zeug hält, gegen jeden Sinn und Verstand, gegen jede Natur. Diese traurige Unsitte geht übrigens auch auf das Konto der EU. Männerinnen = Frauer – ein Ausrutscher in der Geschichte? Was meint ihr?“ (Verlinkung auf „Bettina Röhl direkt: Der Irrsinn der Entmännlichung unserer Gesellschaft) 783 Personen gefällt das, 249mal geteilt
- 9. Juli 2013: „Bitte TEILEN, TEILEN, TEILEN #AfD Gender-Wahn stoppen“ (Stoppschild über Piktogramme von Mann, Frau und Kneifzange, in den Farben der AfD und mit AfD Schriftzug) 1739 Personen gefällt das, 1160mal geteilt
- 9. Juli 2013: „Kurzer Zwischenstand zur Genderfrage: Von 200 Usern haben sich 196 gegen den Genderunfug ausgesprochen. Klares Votum: Wir wollen uns nicht von ungewählten Bürokraten vorschreiben lassen, was wir wann und wie zu sagen haben. Wir wollen reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Genderwahn abschaffen! #Richtungswechsel! #AfD“ 1661 Personen gefällt das, 226mal geteilt
- 10. Juli 2013 Der Programmentwurf der AfD zum Energiekonzept wurde bereits zuvor auf der Seite Achse des Guten und auf MMNews vorgestellt. Die Facebook-Seite verlinkt auf MMNews mit den Worten: „Unser Energiekonzept bietet die dringenst nötige Alternative zur derzeitigen Energiepolitik […] Marktwirtschaft statt Planwirtschaft!“ Ich zitiere einige Forderungen aus dem Papier, die mir besonders problematisch erscheinen:
- “Wir fordern die Rückkehr zum Markt in der Strom- und Gaswirtschaf. Es darf keine wettbewerbsfreien Zonen und keine Subventionen mehr geben – weder für konventionelle noch für regenerative Energien. […]
- Wir fordern daher die sofortige und ersatzlose Abschaffung der Vorrangeinspeisung von Strom aus “Erneuerbaren” […]
- Wir fordern, dass alle staatlichen Maßnahmen unterbleiben, die Bürger und Unternehmen zu bestimmten Verhaltensweisen – z.B. die Art und Weise ihres Energieverbrauchs – zwingen sollen. […]
- Wir fordern die intensive Mitarbeit deutscher kerntechnischer Forschungsinstitute am internationalen Programm Generation IV International Forum (GIF), an dem bislang 12 Industrieländer und die EU – außer Deutschland – mitarbeiten, und die staatliche Förderung dieser Arbeiten. Nur damit kann erreicht werden, dass die deutsche nukleare Sicherheitsforschung auch für die in der Entwicklung befindlichen fortschrittlichen Reaktortechnologien der 4. Generation wettbewerbsfähig und kompetent bleibt, wenn diese Technologien weltweit in den Markt eingeführt werden.[…] 837 Personen gefällt das, 188mal geteilt”
- 11. Juli 2013: „EU-GleichstellerInnen wollen mit nicht ganz durchsichtigen Gesetzgebungskniffen eine Frauenquote für den Mittelstand durchboxen. Wirtschaftspolitik für unsere deutschen Mittelständler aus den Hinterzimmern von IdeologInnen in Brüssel? Käse! [Link auf einen Artikel aus der Welt] #AfD “ Dazu ein Bapperl: „Der Käse der Woche – EU will Mittelständler mit Frauenquote gängeln – [AfD-Schriftzug]“ 788 Personen gefällt das, 280mal geteilt
- 13. Juli 2013: „Unglaublich, was wir uns von der EU-Kommission alles sagen lassen müssen:“ Verlinkung auf einen Text der extrem rechten Jungen Freiheit: „Ehegattenachzug: EU gegen Deutschtests“ Dort heißt es: „BRÜSSEL. Die EU-Kommission hat sich gegen Deutschtests für einwanderungswillige ausländische Ehegatten ausgesprochen und deswegen ein Verfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Die Sprachprüfungen verstoßen nach Ansicht der Brüsseler Behörde gegen die EU-Richtlinie zur Familienzusammenführung.“ 947 Personen gefällt das, 457mal geteilt
- 13. Juli 2013: Stellungnahme zu UN, Sarrazin und Bundesregierung: „Offenbar prüft die Bundesregierung, die Gesetzgebung gegen ‘rassistische Äußerungen’ zu ändern. Wir fordern die Bundesregierung auf, das Grundgesetz zu achten. Die Bundesregierung hat kein Mandat, die Meinungsfreiheit einzuschränken, in die Urteilsfindung von Gerichten einzugreifen oder die Gewaltenteilung aufzuheben. Vielmehr ist sie dem Wohle des deutschen Volkes verpflichtet und nicht dem Gehorsam gegenüber Dritt-Institutionen. “ Verlinkt wird ein Artikel der ZEIT: „Rassismus: Bundesregierung antwortet auf Sarrazin-Kritik der UN“ Dort teilt sie u.a. mit: „Die Bundesregierung stellt Änderungen der Gesetzgebung gegen Rassismus in Aussicht. In einer Verbalnote an den Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen in Genf, der Deutschland im Falle Sarrazin gerügt hatte, heißt es: ‘Die Bundesregierung prüft aktuell die deutsche Gesetzgebung zur Strafbarkeit rassistischer Äußerungen im Lichte der Äußerungen des Ausschusses.’ Die Berliner Staatsanwaltschaft, die das Ermittlungsverfahren gegen Sarrazin wegen Beleidigung und Volksverhetzung eingestellt hatte, habe man gebeten, ‘jede Möglichkeit zu prüfen, die Entscheidung zur Verfahrenseinstellung zu überdenken’, heißt es in dem Text vom 1. Juli, der dem Tagesspiegel vorliegt.“ 1161 Personen gefällt das, 254mal geteilt
Anscheinend ist nun, wo genügend Unterstützungsunterschriften in allen Ländern gesammelt wurden und bei Facebook alle anderen Facebook-Seiten der anderen Parteien mit 40.000 “Likes” überrundet wurden (außer der Piraten-Partei mit über 77.000 “Likes”) ein Richtungskampf ausgebrochen. Die Facebook-Seite zieht gnadenlos die rechte Agenda durch. Auffallend ist, dass die konservativ-marktlibertären Positionen zum Thema Gender, Ökologie und Migration mit einem Verweis auf die “nationale Souveränität” stattfinden. Die UN wird zur “Dritt-Institution”, die EU will deutsche “Mittelständler” “gängeln”. Geschlechtskonservativismus, Ökologiefeindlichkeit und Ethnozentrismus werden mit nationalistischen Untertönen propagiert. Von einem vorsichtigen Agieren nach Außen oder Innen kann keine Rede mehr sein. Woher kommt dieses neue Selbstbewusstsein? Oder ist das die Flucht nach Vorne?
Hier der Link zur AfD-Facebook-Seite. Sehr viel krasser als die offiziellen Postings sind die vielen Kommentare, die dort nicht gelöscht werden. Aber genau genommen sind die Postings schlimmer, weil sie diese Kommentare bewusst hervorrufen.
Martin Lauber
Nun gut, einen brüsseler Zentralstaat abzulehnen und etwas mehr nationale Souveränität zu fordern, ist in meinen Augen noch lange kein Nationalismus. Aber ich weiss natürlich, dass alleine das Wort “national” in linken Kreisen ein Tabu ist. Für mich steht es in einer Reihe mit kommunal, regional, kontinental, global. Alles andere ist Hypersensibilisierung und gestrig. Der Nationalismus ist in Europa nirgendwo schwächer ausgeprägt als in Deutschland.
Zur Genderthematik bleibt zu sagen, dass selbstverständlich jeder Mensch sein soziales Geschlecht aussuchen kann wie er will – das geht niemanden etwas an ausser ihm selbst – aber bei fast allen Menschen das soziale dennoch mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmt. In meinen Augen sind Damen- und Herrentoiletten sicher keine Ausgeburt fürchterlicher Diskriminierung und ich werde mir auch niemals irgendwelche Sternchen und Unterstriche in die Worte basteln, um ja niemanden zu diskriminieren. Und ich werde niemals Leipziger Professoren mit Herr Professorin anreden. Und das sehen die meisten Mitglieder der AfD nicht anders.